Reisetagebuch Japan (6): Hokkaido ist mehr als ein Kürbis

Reisetagebuch Japan (6): Hokkaido ist mehr als ein Kürbis

Reisetagebuch Japan. Heute geht es in den hohen, aber nicht den höchsten, Norden, ich will kein Upgrade und entdecke einen blauen Teich.

Dienstag, 08. Oktober 2024, Akihabara, Tokyo
Ich höre noch das dumpfe Geräusch, mit dem das Köpfchen des Kindes gegen das Auto prallt, dann schrecke aus dem Schlaf hoch.

Schon wieder dieser Albtraum! Noch leicht geschockt reibe ich mir den Schlaf aus den Augen. Es war nur ein Traum, mache ich mir bewusst, keine Erinnerung an eine mögliche Zukunft! Ich schwinge die Beine aus dem Bett. Die beste Methode um schlechte Dinge zu verdrängen ist, sich ganz auf etwas anderes zu konzentrieren.

Es ist erst 06:45, aber heute habe ich viel vor. “Es sind 21 Grad”, sagt Siri und fügt hinzu “Du solltest vielleicht einen Schirm mitnehmen”. Die Info ist sinnvoll, immerhin sehe ich aus meinem Zimmerfenster nur eine Betonwand und die Leitungen von Klimaanlagen, da ist nicht zu sehen ob es draußen regnet oder nicht.

Schnell habe ich meine Sachen zusammengepackt und schwinge mir den Cabin Max über die Schulter. Ein letzter Blick zurück in das kleine Zimmer, das jetzt für fünf Tage mein Zuhause war, dann ziehe ich die Verrätertür mit dem Düdel-Schloss hinter mir zu und eile die Stufen des Hotels hinab.

Es regnet tatsächlich, und zwar ganz widerlich. Die tropische, schwüle Wärme mit 90 Prozent Luftfeuchtigkeit sorgt dafür, dass man durch und durch feucht wird – von Innen vom Schwitzen und von Außen durch den Regen.

Ich laufe gen Osten, weg von Akihabara und Richtung Asakusa. Amüsieren muss ich mich über den Yaris, der perfekt quer in einer Einfahrt parkt. “Hallo? Ja, ich bins. Ja, ich parke in der Einfahrt, wie Sie es mir gesagt haben. Ach, das ist jetzt auch nicht richtig??”

Auf halbem Weg wird mir klar, dass ich den transparenten Stockschirm, den ich vor einigen Tagen in einer Drogerie gekauft habe, nicht werde mitnehmen können. Mangels Mülleimern werde ich ihn aber auch nicht einfach entsorgen können. Und nun? Ah, ein Haufen Sperrmüll. Da stelle ich ihn einfach dazu. Mach´s gut, Schirm, tut mir leid, dass ich Dich aussetzen muss.

Von der Metrostation Asakusabashi fährt eine U- und S-Bahn direkt bis zum Flughafen Haneda, sagt zumindest Google Maps. Ich finde den richtigen Bahnsteig und steige zu. Es ist Berufsverkehr, und die Wagen sind so proppenvoll, dass ich kaum den Rucksack in die Ablage bugsiert bekomme. Wieder bin ich froh, hier nicht mit einem schrankgroßen Rollkoffer unterwegs sein zu müssen.


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Reisetagebuch Japan (5): Die elektrische Stadt ist tot

Reisetagebuch Japan (5): Die elektrische Stadt ist tot

Das Reisetagebuch. Heute mit Hypersexualisierung, alten Bastlern und dem Himmelsbaum.

Montag, 07. Oktober 2024, Tokyo
Nach dem Klingeln des Weckers drehe ich mich noch mindestens drei Mal im Bett herum. Darin ist es warm und bequem, wie in einem wohligen Kokon der Glückseligkeit. Ein schlechtes Gewissen habe ich nicht. Heute ist das letzte Mal für Wochen, dass ich werde ausschlafen können. Ab morgen ist richtig Action angesagt, heute eher ein Tag zum Rumgammeln.

Gegen halb elf bin ich dann doch mal auf den Beinen und laufe durch die Straßen Akihabaras. Die Sonne scheint, mit 27 Grad ist es hochsommerlich warm und die Luftfeuchtigkeit immer noch sehr hoch – mittlerweile stelle ich mir vor dem Verlassen des Hauses gar nicht mehr die Frage, ob ich eine Jacke mitnehmen soll. Die ist nur Ballast. Die Einheimischen, vor allem die Büroarbeiter, sind in dunklen Anzughosen und weißen Hemden unterwegs. Die Touristen in kurzen Hosen und bunten T-Shirts. Ich trage schwarze Jeans und ein schwarzes Hemd. Einfach, weil ich Hemden gerne mag. Die sind leicht, haben eine praktische Brustasche, man kann sie im Fall extremer Hitze aufknöpfen, die Ärmel kann man lang lassen wenn es kühl ist und hochkrempeln wenn es warm ist und man ist immer und für jeden Anlass passend gekleidet – besser geht es kaum! Gegen die simple Eleganz und Vielfältigkeit eines Hemds sind T-Shirts dumm und hässlich. Das Leben ist zu kurz um dumme und hässliche Klamotten zu tragen.

Vor mir quert ein kleines Mädchen von vielleicht vier oder fünf Jahren die Straße auf einem winzigen Fahrrad. Sie trägt Zöpfchen und ein rosa Kleidchen. Ur-niedlich sieht das aus. Die Kleine ist offenkundig ohne Begleitung – die Straßen hier sind halt einfach enorm sicher, weil so gut wie keine Autos fahren. Als das Mädchen gerade in der Mitte der Kreuzung ist, verfängt sich der Saum des Kleidchens in der Gangschaltung des Hinterrads. Mit einem herzzerreißenden Geräusch reißt ein Teil des Saumes, der Rest wickelt sich um die Radnabe.

Die Kleine strauchelt, fällt aber nicht hin, sondern kommt gerade noch so zum Stehen. Reflexhaft will ich helfen, halte dann aber inne – ich bin ein Fremder und spreche die Sprache des Kindes nicht. Zum Glück stellt sich raus, dass sie gar keine Hilfe braucht. Sie steht neben dem Fahrrad, besieht sich die Sache und denkt einen Moment nach, dann klappt sie den Seitenständer aus und greift vorsichtig in die Zahnräder. Sorgfältig wickelt sie den Stoff davon ab. Ich erwarte, dass sie jetzt in Tränen ausbricht, aber das passiert nicht. Sie hält den Saum des Kleidchens in beiden Händen und mustert die zerrissene und ölverschmierte Stelle mit großem Ernst, dann seufzt sie, steigt wieder aufs Fahrrad, rafft das Kleidchen etwas zusammen, damit es nicht nochmal ins Hinterrad gerät, und fährt weiter.

Das war wirklich eine erstaunliche kleine Szene.

Mein erster Weg heute morgen führt, noch einmal oder schon wieder, zum Bahnhof von Ueno. Im Reisezentrum für Touristen lege ich meinen Japan Rail Pass vor und lasse zwei Reservierungen für Zugverbindungen vornehmen. Die brauche ich erst in einigen Tagen, aber frühzeitige Reservierungen sind sinnvoll und praktisch Pflicht. Die kosten Inhaber des Railpasses auch nichts, aber man kann sie nicht online vornehmen, sondern nur im Reisezentrum oder an einem Automaten.

Im Reisezentrum spricht das Personal sehr gutes Englisch, daher ist mein Anliegen kein Problem und schnell erledigt. Für jede Teilstrecke bekomme ich ein grünes Reservierungsticket ausgedruckt. Die haben die gleiche Größe wie der Railpass und sehen auf den ersten Blick genauso aus – ich werde also aufpassen müssen, dass ich nicht aus Versehen statt einer benutzen Reservierungskarte den 650 Euro teuren Railpass wegwerfe.

Gegenüber des Eingangs zum Reisezentrum rotten in einer Nische zwei Münztelefone vor sich hin. Neben ihnen steht ein Regenschirmautomat, an dem man über eine App Schirme leihen kann. Zwischen dem Ding und einem Getränkeautomaten eingekeilt ducktt sich verschämt ein grüner Automat, den ich hier schon vor drei Tagen entdeckt habe.

“Pocket Change”, steht klein auf der Frontseite, und wenn man nicht weiß, was der Automat macht, erschließt sich das auch nicht sofort. Dabei ist er für Reisende endlos praktisch. In Japan sammelt sich nämlich rasant schnell Kleingeld in den Hosentaschen an, und zwar in einer Stückelung, die man nie wieder los wird. Zwar ist es in den vergangenen fünf Jahren VIEL besser geworden was die Akzeptanz von Kreditkarten angeht, zumindest hier in der Stadt, aber gerade an den kleinen Ständen und Restaurants sieht man Bares noch am liebsten oder akzeptiert erst gar keine Karten. Als Wechselgeld bekommt man dann aber häufig Münzen zurück, die man kaum wieder ausgeben kann und die manche Geschäfte auch nicht mehr annehmen. Dazu gehören 1, 5 und 10 Yen-Münzen. Alles unter 50 Yen ist praktisch nutzlos, und gerade die 1er wirken wie Spielgeld, die sind aus Alu gepresst.

Links sind brauchbare Münzen, rechts nutzlose.


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Das war das Jahr, das war (2024)

Das war das Jahr, das war (2024)

Jahresende. Zeit für die Rückschau. Was bleibt von 2024?
Plus: Beste Bilder.

Lage der Welt:
Die Ukraine beginnt den Krieg mit Russland zu verlieren. Israel verliert den Rückhalt in der Welt, weil es seine Nachbarländer in Grund und Boden bombt und schreckliche Menschenrechtsverletzungen begeht. Nordkorea schließt ein Bündnis mit Russland. Die USA wählen zum zweiten Mal einen Trump, der im Vorfeld versprochen hat Konzentrationslager zu eröffnen, Deportationen durchzuführen, politische Gegner zu verfolgen, das Militär gegen die Bevölkerung einzusetzen, die Ministerien zu entkernen und nach Gesinnung zu besetzen und Amerika durch Strafzölle zu isolieren. Der Faschismus übernimmt die USA mit demokratischen Mitteln, um anschließend die Demokratie zu zerstören. Eine? Ach was, ALLE Demokratien.

Zum Jahresende mischt sich Musk in deutsche Politik ein, willfähriger Helfer ist der Springer Verlag. Und Trump verkündet, dass er gedenkt den Panama-Kanal zu besetzen sowie Grönland und Kanada zu annektieren.
Die Trump-Präsidentschaft läuft gefühlt schon Jahre, und dabei hat sie noch nicht mal begonnen. Ich bin jetzt schon erschöpft davon.
Aussichten: Sollte Trump seine Ankündigungen war machen und die USA andere Länder überfallen, dann bricht der offene dritte Weltkrieg aus.

Lage Europas:
Es rottet vor sich hin. Bei den Europawahlen gibt es einen ordentlichen Rechtsruck. Leider will von der Leyen, die den Ruck nach Rechts maßgeblich mit zu verantworten hat, unbedingt weitermachen. Was das bedeutet, ist klar: Paktieren mit den Rechten. Währenddessen zerfällt in Deutschland die Regierung, in Frankreich kommt durch das Erstarken der Rechten erst gar keine dauerhafte Regierung zustande. In einer angespannten Weltsituation ist Europa so schwach wie nie.
Aussichten: Europa zerfällt, die Oligarchen strecken ihre Finger danach aus. Es bräuchte jetzt starke Nationalstaaten und ein Bekenntnis zur EU. Haben wir beides nicht, daher ist langfristig wohl nur die Frage, wer uns zuerst annektiert: Russland oder China oder ob die USA Europa als Ferienland übernehmen.

Lage der Nation:
In der Ampel sabotiert die FDP wo sie kann, bis im Herbst alles implodiert.

Scholz, bis dahin unsichtbar, lässt daraufhin die Sau raus – und man möchte spontan seinen Redenschreiber zum Bundeskanzler wählen. CDU ist schlimmer, Merz und Söder baden im reinen Populismus, schüren Ängste und Hass auf die Grünen. Merz beklagt abwechselnd, das zu wenige Wärmepumpen eingebaut worden seien und stellt gleichzeitig in Aussicht, dass unter seiner Kanzlerschaft Atomkraftwerke gebaut und Windräder demontiert würden, weil letztere Umweltverschmutzung seien. Kein Witz.

Überhaupt, “die Union”. Für eine Union gibt es herzlich wenig Zusammenhalt in dem Laden. Teile biedern sich an Musk an. Teile reißen die Brandmauer zur AFD ein. Der Rest baut Luftschlösser und will das finanzieren, in dem bei Bürgergeld gekürzt wird. Das ist in Reinkultur “Der Arme nimmt Dir Deinen Keks weg!” WTF, ihr Spinner.

Direkte Folgen dieser unterirdischen Politik: Der Osten wählt AFD und das Bündnis Sara Wagenknecht. Die Folge: Merz zündelt noch schlimmer als zuvor und setzt auf das Trump-Rezept aus Zuwanderungs-Hetze und Abtreibungsgegnerschaft. Bar jeder Vernunft laufen alle demokratischen Parteien diesem Agenda-Setting hinterher und führen Grenzkontrollen ein. Ja, so kann man die Rechten auch stärken und das Land und Europa noch schneller in den Abgrund treiben. Für Februar sind Neuwahlen angesetzt.

Ansonsten jammert die Autoindustrie und behauptet sie darbt, und ich sage mal so: Mein Mitleid hält sich in Grenzen. Seit 2003 wundere ich mich, dass niemand bei VW und anderen deutschen Herstellern auf Elektro setzt, unfassbar teure und riesige Autos produziert werden und Gehälter gezahlt werden, von denen andere nur träumen. Ich dachte zwischendurch sogar, es läge an mir bzw. meinem zu kleinem Gehalt, das für mich ein VW schon aus Preisgründen nie in Frage käme. Stellt sich raus: Kaufen tut die Kisten schon lange keine Privatpersonen mehr. 84 Prozent aller Passats auf den Straßen sind Dienstwagen. Und nun kommt die geballte Quittung. Deutschland lebte in diesem Jahr noch in seiner Blase, hier ging das Narrativ rum, das sich Elektroautos nicht durchsetzen würden. Tatsächlich gingen die Verkäufe zurück, was als Beweis dafür herangezogen wurde. Nur: Damit sind wir allein auf der Welt. Und deutsche Autobauer bauen keine Modelle für den deutschen Privatmarkt, bringt also nicht, wenn die Diesel-Dieter sich noch einen Verbrenner mehr hinstellen.

Immerhin: Ausbau der erneuerbaren Energien ging gut voran. Im 3. Quartal wurden 63 Prozent des Energiebedarfs aus regenerativer Energieerzeugung gedeckt. Der Zubau der Kapazität lag bei 17 Gigawatt. Mal zum Vergleich: Das ist die Kapazität von 11 Atomkraftwerken! Oder man hätte damit 14 Mal den DeLorean zurück in die Zukunft schicken können. Das ist super.

Aussichten: Eine Große Koalition unter Führung von Merz. Schrecklich. Große Koalitionen stärken immer die Extreme und die Politikverdrossenheit. Grokos sind, was das Land so abgewirtschaftet, die Stimmung so polarisiert und die AFD stark gemacht hat. Und nun eine, der mit Merz und Scholz Männer ohne Charakter, wenig Moral und geringem Verstand vorstehen werden.

Ich Ich Ich
Das Jahr begann mit Sehnsucht und Weltschmerz und düsteren Aussichten. Es war dann auch düster, aber ganz anders als gedacht. Es ist einfach so irrsinnig viel passiert, dass die Zeit verflog und sich 2024 trotzdem so anfühlte, als würde es sich ewig ziehen.

Die ersten vier Monate Leben auf einer Baustelle, weil die Wasserschäden vom vergangenen Dezember repariert wurden. Im Februar fiel plötzlich die V-Strom 800 vom Himmel. Ab März schlimme Nachrichten allerorten. Der frühe Tod eines guten Freunds hat mich ziemlich mitgenommen. OPs und Krebs in der unmittelbaren Familie sind wohl gut ausgegangen, nach allem was man bislang weiß. Im Juni begann eindlich ein wenig Sommer, bis dahin war es nur kalt und nass. Ende Juli wurde der Aygo zerstört, es folgten sechs Wochen Brot&Butter-Motorradfahren. Ende September war alles soweit geregelt, das ich mir einen Monat Auszeit nehmen konnte. Danach ging es hektisch, aber wieder mit mehr Energie weiter. Und immer, immer wieder nervenaufreibende, schlafraubende Situationen bei der Arbeit. Eigentlich konstanter Alarmzustand, an gleich mehreren Fronten.

Ein sich wiederholendes Thema: Fast alle Dinge und Vorhaben brauchten in diesem Jahr zwei oder mehr Anläufe. Der feine Jasmin, Freude des vergangenen Sommers, erfror am letzten Wintertag und musste ersetzt werden. Eine neue Brille (die erste mit Gleitsicht) war falsch berechnet und musste nochmal gemacht werden. Dito die Sonnenbrille, mit den Werten der Bildschirmbrille gefertigt wurde und nicht zum Fahren taugte. Binnen 12 Monaten musste zwei mal ein Auto gekauft werden.

Der neue, gebrauchte Yaris wurde dann gleich Dauergast in der Werkstatt, wegen Baum vorm Kopf und vergniesterten Bremsen. Die ZZR kam aus der Werkstatt zurück und verbrauchte plötzlich 1,5 Liter mehr auf 100 km. Alles, alles fühlte sich an wie: Drei Schritte vor, voller Stop, dann fünf Schritte rückwärts und alles nochmal von vorn. Eine permanente Sackgasse.

“Ja, ich parke in der Einfahrt, wie Du gesagt hast. Ach, das ist jetzt auch nicht recht?!”

Auch in diese Kategorie fällt: Das gerade nach einem Wasserschaden reparierte Haus hat im Dezember 2024 erneut eine Überflutung abbekommen und jetzt geht alles, alles wieder von vorne los. Schweinerei, dröhnende Bautrockner, Baustelle.

Das ist der harmlose Teil. Da, wo die Decken wirklich so richtig eingestürzt sind, kann man von einer Etage in die andere gucken.

Immerhin, was überhaupt nicht auf dem Zettel stand und unvermittelt einfach so funktioniert hat: Die Beschaffung und der Umbau der V-Strom 800 und die Tour mit ihr im Sommer. Das war ebenso unverhofft wie toll, dass hätte ich zu Jahresbeginn nicht gedacht. Auch die Japanreise hat problemlos geklappt. Eigentlich hat alles funktioniert, wo ich mich echt hintergeklemmt und jedes Detail überwacht oder die Sachen gleich selbst gemacht habe. Hm.

In Summe bin ich geneigt zu sagen: 2024 war fordernd. Am Ende sind die meisten Dinge gut geworden, aber weil nichts auf Anhieb geklappt hat, war gefühlt jede Kleinigkeit stets mit Kampf verbunden und hat viel Kraft und Zeit und Geld gekostet. Trotzdem oder gerade deswegen gehe ich aus 2024 so entschlossen und fit heraus, wie ich zuletzt 2013 war. Zum Jahresende stelle ich fest: Mir geht es gut. Ich fühle mich gut. Mir ist heitere Gelassenheit nicht in die Wiege gelegt, aber aktuell ruhe ich in mir.
Ja, ich bin resilient AF.

Und sonst noch?

Worte des Jahres: Non puoi piacere a tutti. Non sei lasagna.” (“Du kannst nicht von allen gemocht werden. Du bist keine Lasagne.”)

Worte, die ich nicht mehr lesen oder hören möchte: “Ihnen eine erfolgreiche Woche” als Verabschiedung. Sagen nur BWL-Lullies und Möchtegern-Businesskasper.

Und immer noch: Das sich pandemisch verbreitende “Dazu später mehr” in Texten, Videos und Podcast. Wenn Du diese Formulierung verwenden willst, halte inne – ist das ein Hinweis darauf, dass mit deiner Struktur was nicht stimmt.

Was ich nicht mehr sehen möchte: Stroboskop-Effekte in Filmen und Serien. Bei mir lösen die zwar keine epileptischen Anfälle aus, aber angenehm ist es nicht und vor allem belastet es die Beamerblende wie Sau. Ich weiß auch nicht, was sich Filme wie Star Wars 9 oder Serien wir zuletzt Squidgame dabei denken, wenn fünf Minuten nur Geblitze gezeigt wird. Möchte man, dass die Leute vom Handy aufgucken?

Zugenommen oder abgenommen: Abgenommen. Satte sieben Kilo. Da mit steigendem Alter der BMI gnädiger wird, habe ich damit fast Normalgewicht.

Mehr ausgegeben oder weniger? Ich habe NOCH NIE IN MEINEM GANZEN LEBEN so viel Geld ausgegeben wie in diesem Jahr. Anfang des Jahres dachte ich noch: “Ach, hast ja ein wenig Geld auf dem Konto und die Boxen sind kaputt. Kaufste Dir mal neue Lautsprecher von Teufel.” – zu dem Zeitpunkt war ich mir sicher: Das war die teuerste Anschaffung des Jahres. Und DANN ging es erst richtig los: Neue Brille wurde plötzlich nötig. Neues Motorrad ergab sich. Eine gebrauchte XBOX drängte sich auf. Binnen eines Jahres musste zwei Mal ein gebrauchtes Auto gekauft und mit Reifen ausgestattet werden. Die Mikrowelle ging in Rauch auf. Das war alles extrem Kostenintensiv. Wären die Flüge nicht schon gebucht gewesen, ich hätte die (dann auch recht teure) Japanreise nicht gemacht.

Die teuerste Anschaffung: Als Einzelobjekt der gebrauchte Toyota Yaris. In Summe: Die V-Strom 800 mit all dem Gedöns.

Luxus des Jahres: Die Büchersammlung aufgestockt um das “Sandman Universe” – jetzt steht hier wieder die größte Sandman-Sammlung Göttingens.

Mehr bewegt oder weniger: Deutlich Mehr.

Die hirnrissigste Unternehmung: Japan von Nord nach Süd durchqueren zu wollen. Hat nicht geklappt, aber dazu später mehr.

Ort des Jahres: Diese Farm da in den Bergen.

Zufallspromi des Jahres: Hayley Atwell. Tolle Schauspielerin.

Person des Jahres: Robert Habeck. Krass, wie resilient, rational und besonnen der Mann trotz all der Anfeindungen und der Hetze bleibt. Versucht als einziger keine Illusionen zu verkaufen. Kanzlermaterial.

Nervende Person des Jahres: Hattrick! Der Preis geht, wie schon in 2022 und 2023, zu gleichen Teilen an Friedrich Merz und Elon Musk. Der eine hatte 1992 einen Unfall mit einer Cryo-Maschine und wurde erst jetzt wieder aufgetaut, der andere hat sich radikalisiert, ruiniert Gesellschaften und den Planeten und ist vermutlich der operierende Präsident der USA. In 2024 haben beide nochmal eine Schippe an Arschlochigkeit draufgelegt. Dabei habe ich immer noch das verhängnisvolle Gefühl, die laufen sich gerade erst warm.

Das beste Essen: Mugnaia in Roccafinadamo

Das seltsamste Essen: Diese Ramen Bowl von Lawson, wo die Brühe bei Raumtemperatur ein wackelpuddingartiger, nach Fisch schmeckender Glibber war. E-Kel-Haft.

Das beste Süßkram: Ich hätte ja gesagt: Der Pumpkin-Pudding von Familiy-Mart, aber dann kam unvermittelt vor Weihnachten ein Päckchen an. Der Inhalt eroberte den ersten Platz. Nein, nicht das Kilo Parmesan. Die Kaffee-Pfirsiche (Peschi di Caffé) von Giulies Mama.

2024 ENDLICH getan: Das Blog hier umgezogen, auf einen Server bei Manitu. Die sind sehr gut.

2024 zum ersten Mal getan: Eine elektrische Heckenschere benutzt.

2024 das erste mal seit langer Zeit wieder getan: Gartenarbeit.

Gesundheit: Okay bis sehr gut. Magenprobleme weitgehend weg. Dafür plötzlich Anfang des Jahres Sehverlust um eine Dioptrie auf einem Auge.
It´s not the years, honey. It´s the mileage.

Ein Ding, auf das ich gut hätte verzichten mögen: Da gab es viel, aber ganz besonders hätte ich auf den Ärger bei der Arbeit verzichten können und auf die zweite Überflutung im Haus. Dieses Mal waren es nur 2.000 Liter, aber schon wieder sind die Lehmdecken eingestürzt.

Gereist? Ja, wenn auch sehr konzentriert: Eine Woche Testfahrt mit der V-Strom in den Süden, dann quasi den geballten Jahresurlaub in viereinhalb Wochen Japan.

Film des Jahres: So richtig geile Blockbuster gab es nicht. Ich habe viel handgemachtes Zeug aus den 80ern und 90ern geschaut, u.a. die alten “Mad Max” und Schwarzenegger-Füilme. Bei neueren Produktionen hatte ich viel Spaß mit dem indischen Actionkracher “Pathaan”, der ist, was Bond-Filme früher mal waren. In Erinnerung bleiben werden mir der sehr spannende “Till Death” und der optisch beeindruckende und clevere “The Creator”, der auch Film des Jahres ist.

Theaterstück des Jahres: “Mord im Orientexpress” bei den Gandersheimer Domfestpielen mit der großartigen Tabea Scholz.

Konzert des Jahres: Marina Santellis Jazz in den Bergen.

Song des Jahres: Musik spielt keine Rolle in meinem Leben. Sie kommt in meinem Alltag praktisch nicht vor. Umso erstaunlicher, dass ich in diesem Jahr gleich drei Songs sehr mochte: Shakespears Sister “All the Queens Horses” und das nach Portishead klingende “This Road” von Poe. Favorit ist aber das wütende “Naked in the Sun” von “The Jordan” aka “The Artist formerly known as Caro Emerald”.

Spiel des Jahres: Ein gemischtes bis schwaches Spielejahr, in dem ich häufig Oldies aus der XBOX 360-Ära noch einmal gespielt habe.

Beim neuen Kram hatte ich viel Spaß mit “Stellar Blade”, “Like a Dragon 8” und dem bezaubernden “Lost Words”. Cool war auch “Robocop”, eine gelungene Double-A-Produktion. Das wichtigste Game des Jahres ist sicher “Senua II”, meine persönlichen GOTY sind aber “Arkham Shadow” auf der Quest 3S und fantastische “Indiana Jones and the Great Circle” auf der Series X.

Scheißspiel des Jahres: “Watch Dogs – Legion”. Was für ein uninspirierter Dreck. Nach wenigen Stunden weggeworfen.

Serie des Jahres: Ich bin kein Seriengucker mehr, das meiste Neue finde ich doof und platt. Eine Offenbarung war die in zwei Staffeln auserzählte “Kevin can f** himself” – völlig grandios geschriebene High-Concept-Serie, die wirklich wusste, wo sie hin will.
Meine persönlichen Entdeckungen des Jahres sind aber Serien aus den 2010er Jahren, wie das sehr clevere “The Newsroom”. Serie des Jahres ist das erstaunliche “The Fall” von 2013. Fällt leider in Staffel 3 auseinander, bis dahin ist es aber grandios.

Buch des Jahres: Wieder deutlich mehr gelesen, was gut ist. Buch des Jahres ist “All´italiana” von Petra Reski – habe viel über italienische Politik daraus gelernt.

Graphic Novel des Jahres: 2024 war ich, auch das erste Mal seit langer Zeit, wieder heftig im Bereich Graphic Novels unterwegs: Das alte “Y – The Last Man” nachgeholt, das aktuelle “Saga” verschlungen, das sehr durchwachsene “Sandman Universe”, als Standalone “The Electric State” usw. Graphic Novel des Jahres ist: “Locke & Key: The golden Age”. Selten so viel Gefühl in solch einem Setting gesehen.

Ding des Jahres: Ganz klar, die V-Strom 800.

Spielzeug des Jahres: Gar nicht leicht zu entscheiden. Es gab dieses Jahr VIELE Spielzeuge: Ich liebe die Heckenschere von Bosch blau, am meisten verblüfft hat mich die Quest 3S. Am Praktischsten sind die neuen Gummistiefel von Dunlop. Am meisten Freude bereiten mir die Teufel-Lautsprecher, die machen mich schon Lächeln, wenn ich sie nur ansehe. Und klingen tun sie auch gut, auch wenn der Waschmaschinengroße Subwoofer selbst ganz runtergedrosselt noch die Mauern von Jericho zum Einsturz bringen kann.

Enttäuschungen des Jahres: “John Sugar”: Retro-Noir-Serie, die nach hinten raus einfach in sich zusammenklappt. “Dune 2” hat krasse narrative Lücken und ist langweilig. “Hypnotic” ist so hanebüchen dumm, dass ich den nicht länger als 5 Minuten ertragen habe. “Bayonetta 3” ist so überfrachtet, dass es keinen Spaß mehr macht. “Azurro” ist ein recht eitles Buch ohne Nutzwert.

Die schönste Zeit verbracht mit: Guten Freundinnen (nicht gegendert) bei interessanten Gesprächen und leckerem Essen. Ihr wisst, wenn ihr gemeint seid!

Anzahl Fiat 500s (seit 2016): Von 3.908 auf 4.614. Ein ziemlich gutes Fiat-500-Jahr

Vorherrschendes Gefühl 2024: “Nicht SCHON wieder!”

Erkenntnis(se) des Jahres: Demokratie muss für jeden liefern. Und wenn sie das Bauchgefühl oder das eigene Portemonnaie nicht befüllt, wählen die Leute ALLES – auch Faschisten.

In diesem Sinne: Ich wünsche einen guten Start in ein hoffentlich weniger schlimmes 2025. (Spoiler: Wird es natürlich nicht. Aber hoffen darf man ja.)

Sprengt Euch beim Jahreswechsel keine Körperteile weg!

@silencer137

#CapCut

♬ origineel geluid – Ninez1983

Nekrolog:

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Momentaufnahme: Dezember 2024

Momentaufnahme: Dezember 2024

Herr Silencer im Dezember 2024

“Non puoi piacere a tutti. Non sei una lasagna.”
(“Du kannst nicht von allen gemocht werden. Du bist keine Lasagne.” – Personaltip einer Buffona.)

Wetter: Zwischen 0 und 5 Grad und Nieselregen, es wird den ganzen Monat kaum hell, geschweige denn, dass die Sonne schiene. Regnerische Weihnachten. Letzte Monatswoche frostig-nasse -3 Grad.


Lesen:

Chris Broad: Abroad in Japan
2013 kommt der junge Brite Chris Broad nach Japan. Er soll japanische Lehrkräfte beim Englischunterricht unterstützen. Doof: Er spricht kein japanisch und die japanischen Englischlehrer kaum Englisch.

Chris Broad ist einer der erfolgreichsten Japan-Youtuber und hat mittlerweile eine eigene Bar in Shibuya. Die trägt den Namen “Lost” – und das Buch macht deutlich, wie “Lost” sich Broad in den ersten Jahren in Japan gefühlt hat, und wie er es dann plötzlich schaffte, Dauergast im nationalen Fernsehen zu werden. Faszinierend zu lesen, wie er sich durchgeschlagen hat und Stück für Stück erst die Sprache gelernt und dann das Land zu seinem zuhause gemacht hat.

Sehr lebendig und lustig geschrieben, und nebenbei erfährt man, warum die meisten Japaner kein oder nur schlechtes Englisch sprechen. Allzu tiefe Einblicke in die Gesellschaft oder die Geschichte Japans sollte man aber nicht erwarten. Das Buch ist nach hinten raus reine Nabelschau, ein Behind-the-Scenes des Youtube-Channels.


Hören:


Sehen:

The Penguin [Prime, Kaufoption]
Nach dem Tod von Gangsterboss Carmine Falcone (zu besichtigen im 2022er Kinofilm “The Batman”) herrscht in Gothams Unterwelt ein Machtvakuum. Der kleine Gangster Oswald “The Penguin” Cobb beobachtet genau, wie sich neue Konstellation und Allianzen bilden und alte Feindschaften gären. Als er jedoch im Affekt einen der neuen Bosse umbringt dämmert ihm: Er könnte auch einfach selbst der neue Unterweltkönig von Gotham werden!

Sehr geschickt geschrieben: Egal wie clever sich der Pinguin auch anstellt, seine Feinde und Freunde durchschauen ihn – und TROTZDEM schafft er es, sich aus Situationen herauszulavieren. Die Geschichte ist sehr wendungsreich und spannend. Wie gut das Ding geschrieben ist, merkt man an der Verteilung seiner eigenen Sympathien. Als Zuschauer sympathisiert man anfangs mit dem Underdog Cobblepot, wenige Folgen später schlägt das um und man ist auf der Seite seiner Gegenspielerin. Erfrischend: Diese Serie hält einen nicht für doof. Sie erklärt nicht alles drei Mal, bis es auch die Leute verstanden haben, die nebenbei die ganze Zeit am Handy rumspielen.

Colin Farrell besitzt ja nur die beiden Gesichtsausdrücke “schlimme Verstopfung” und “grimmig”. Unter der enormen und sehr guten Maske des Pinguins erkennt man ihn nicht, und das macht sein Spiel erstaunlicherweise viel besser! Sein Overacting wird durch pfundweise Latex auf ein subtiles Spiel herabgedämpft. Witzig, dass man ihn erst unter einer Ganzkörperprothese verstecken muss, um eine gute Leistung aus ihm herauszubekommen. Oder anders: Interessant, dass man den Schönling Farrell erst in einen hässlichen Gnom verwandeln muss, um ihm ordentliches Schauspiel zu entlocken.


Spielen:

Indiana Jones und der große Kreis [XBOX Series X]
Zwischen “Raiders” und “Last Crusade”: Ein sehr großer Mann bricht ins Marshall College ein und stiehlt die Mumie einer ägyptischen Katze. Die hatte Dr. Henry Jones, Jr. erst vor kurzem in Ägypten ausgebuddelt. Da er seine Katze zurück will, nimmt er die Ermittlungen auf. Eine erste Spur führt in den Vatikan, der 1937 von Mussolinis Schwarzhemden besetzt ist.

Yay, ein Indiana Jones Spiel!
Urgh, ein Indiana-Jones-Spiel aus der Ego-Perspektive?
Yay, es ist von Machine Games!
Urgh, es ist nur für die XBOX?

Wechselbad der Gefühle bei der ersten Ankündigung. Aber: Machine Games haben mit “Wolfenstein” schon bewiesen, dass sie Ego-Perspektive können UND gute Geschichten erzählen wollen. Deshalb hatte ich mir auch nach der Ankündigung, “Great Circle” sei ein XBOX-Exclusive, eine gebrauchte XBOX Series zugelegt. Ja, nur für dieses Spiel. (Später stellte sich dann raus, dass das Game auch für die PS5 kommen wird. Seufz.).

Bereut habe ich den Kauf der Series X nicht. Das neue Indy-Game läuft darauf auch mit dem automatisch geladenen High-Texture-Zusatzpaket perfekt und ruckelfrei, selbst in den großen und detailreichen Arealen.

Das Gameplay besteht aus Erkundung, Rätseln und gelegentlichem Faustkampf. Wie in den Filmen ist Dr. Jones allerdings kein guter Kämpfer – und der Griff zu einer Schusswaffe bedeutet meist Insta-Death. Erstaunlicherweise macht mir das eher langsame Vorgehen hier einen Heidenspaß, zumal fast Erkundungsmission durch eine sehr coole Actionsequenz (häufig in Cutscenes) belohnt wird. Langweilig wird es ohnehin nie, zwischen zwei der großen Hubwelten finden sich kleine Level, die linear ablaufen und die ein Actionfeuerwerk abhalten, das einen wirklich staunen lässt.

Auch wenn die Story um die verschwundene Katze erstmal simpel klingt: Der Plot, der sich nach und nach auftut, steht dem von “Raiders” in nichts nach. Wirklich, “Great Circle” ist sehr gut geschrieben und die Handlung deutlich besser als die der letzten beiden Kinofilme. Mehr noch: Das Spiel ist auch besser inszeniert als die Filme mit Harrison “Kein Bock” Ford. Alle Szenen sind Motion Captured, Kameraführung und Beleuchtung hat man sich von Spielberg und “Raiders” abgeguckt, und das Gespür für situativen Humor stammt eindeutig aus “Crusade”.

Sehr toll: Die Spielfigur sieht in Cutscenes wirklich exakt so aus wie der junge Harrison Ford und spielt so, wie er es in “Raiders” getan hat, inklusive des schiefen Grinsens und der manchmal irrlichternden Augen. Gesprochen und gespielt wird der Charakter von Troy Baker (“The Last of us”), der Harrison Fords gelangweilten Tonfall zwar etwas nasal, aber doch ziemlich gut imitiert.

In Summe: Auch, wenn ich noch nicht ganz durch bin, ist “Indiana Jones and the Great Circle” das beste Indy-Spiel seit “Fate of Atlantis” (und das ist 32 Jahre her!) – und mein Spiel des Jahres. Das Ding macht wirklich Freude.

Batman: Arkham Origins [2013, XBOX 360 Game auf XBOX Series X]
Weihnachtsabend in Gotham: Gangsterboss Roman Sionis befreit Kriminelle aus dem Gefängnis Black Gate und setzt ein Kopfgeld in Millionenhöhe aus. Das Ziel: Ein Gerücht. Denn ob es den schrecklichen Fledermausmann, der angeblich seit einem Jahr Verbrechern das Leben schwer macht, wirklich gibt, weiß man noch nicht sicher.

Im Laufe der Nacht stellt sich raus: Ja, den Batman gibt es wirklich. Der muss sich nicht nur den Profikillern erwehren – etwas anderes und viel Schlimmeres passiert in den Schatten.

Nachdem ich mich im vergangenen Monat in “Arkham Shadow” selbst durch Black Gate geprügelt habe, hatte ich Lust auf mehr Arkham-Universe. “Origins” kam 2013 als Prequel zu “Arkham Asylum” und “Arkham City” heraus, war aber damals von einem anderen Entwicklerstudio gemacht worden.

Ich mochte das nicht und urteilte damals: “Warner Bros. Montreal Studio kloppen irgendeinen Scheiß aus den vorhandenen Figuren und Assets zusammen. Da passen dann auch schlecht designte Rätsel, unfassbar dämliche Speicherpunkte, nicht funktionierende Schnellreisefunktion und einbrechende Frameraten ins Bild: Anscheinend hat dieses Game nie jemand Probegespielt.”

Keine Ahnung, was mich damals so in Rage versetzt hat. Ja, natürlich sind die Assets recycelt und manche Rätsel nicht gut, das erklärt aber nicht diesen Rant. Vermutlich war die PS3-Version einfach schlimm buggy. Die XBOX 360-Fassung jedenfalls läuft, 10 Jahre nach Release, perfekt und ohne merkliche Bugs.

“Origins” recycelt tatsächlich die komplette Stadt vom Vorgängerspiel “Arkham City”, aber durch das winterliche Setting fühlt sich Gotham hier ganz anders an. Schnee weht durch die nächtlichen Straßen, überall hängen Lichterketten und Weihnachtsdeko steht an jeder Ecke.

Die Story ist zwar simpel, der Plot bietet aber etliche Twists und ist teils wirklich sehr, sehr clever geschrieben. Den Höhepunkt der Schreibkunst ist die spielbare Szene nachdem der Joker das erste Mal auf Batman getroffen ist und im Gefängnis laut über ihre Dualität sinniert. Dank des geschickt geschriebenen Monologs denkt die anwesende Psychologin Harleen Quinzel aber, er flirte mit ihr. Hier wird eine gigantische Text-Bild-Scherer aufgemacht, wobei der Text absolut Doppeldeutig ist. Ganz, ganz großes Writing.

Auch im Kontext der anderen Spiele ergibt “Origins” viel Sinn. Der Batman, den wir hier sehen, ist wütender, unbeherrschter und viel brutaler als in den späteren Jahren. Er verweigert jegliche Hilfe, misstraut Commissioner Gordon und legt sich sogar mit Alfred an. Dadurch wird hier ein Grundstein für eine Charakterentwicklung gelegt, die in “Arkham Knight” ihren Abschluss findet. Darin vertrauen dann die Figuren einander und sind eng verbunden, während in “Origins” Misstrauen und Spannungen den Umgang prägen.

“Origins” macht Spaß, ist clever und ein gutes Arkham-Spiel. Woher kommt dann der Ruf als dummes und hässliches Stiefkind der Reihe? Eigentlich ist der unverdient, begründet ist er in einem Mangel an Innovation im Vergleich zu den Vorgängern und einer verhunzten Open World. Nach wenigen Spielstunden ist nämlich die Map von oben bis unten zugeschissen mit Hunderten von Nebenaufgaben. Completionists macht das nervös, aber wer das ignorieren kann, bekommt eine spannende und wendungsreiche Kampagne mit deutlich mehr als 12 Stunden Umfang.

Like a Dragon: Infinite Wealth [2024 PS5]
Ichiban Kasuga sucht seine Mudder – auf Hawaii. Dummerweise sind auch alle Gangs, Verbrechersyndikate und Geheimdienste der Insel und Japans hinter ihr her.

Interessanter Fish-out-of-Water-Ansatz des Yakuza-Epos mit viel frischem Wind. ZU viel frischem Wind.

Von allem ist hier zu viel drin, selbst nach 20 Spielstunden kommt das Game immer noch mit neuen Mechaniken und Features um die Ecke, und mein Kopf explodierte bald vor Dingen, die man machen kann/wissen muss/die storyrelevant sind.

Die Open World ist riesig und umfasst Honolulu, den Tokyoter Stadtteil Kamurocho und die Stadt Yokohama sowie mehreren Inseln. Die Schauplätze sind vollgestopft mit allen möglichen Arten von Aktivitäten: Neben Golf und Baseball und diversen alten SEGA-Games, die sich an Automaten spielen lassen, findet sich sogar ein komplettes Pokemon-Game und ein Aufbauspiel a la “Animal Crossing”. Wer will, kann MONATE in der Spielewelt von “Infinite Wealth” verbringen und diese Spiele spielen, ohne dabei in der Story des Hauptspiels auch nur einen Schritt vorwärts zu kommen.

Hat man verdaut, was einem das Game alles an den Kopf schmeißt und einigermaßen rausgefunden, was wirklich storyreleveant ist und was nicht, gibt es immer noch genug zu tun: Die Spielcharaktere müssen Jobs lernen, Geld beschaffen, Ausrüstung kaufen und jede Figur selbst muss auch leveln. Das gleitet häufig wieder in Grind ab, dieses Mal allerdings nicht ganz so lieblos wie im Vorgänger. Im Gegensatz zu dem hat sich auch das rundenbasierte Kampfsystem verbessert, das nun wesentlich mehr Bewegungsfreiheit und Kombos erlaubt und wirklich viel Spaß macht, auch im zweitausendsten Kampf noch. Der Plot ist wieder spannend und toll inszeniert, auch wenn die Story ziemlich dünn ist.

Ändert aber nichts daran, dass sich das Spiel gerade zu Anfang sehr nach Arbeit anfühlt. Das war auch der Grund, weshalb ich es nach dem Kauf im Januar 2024 angespielt, aber nach 20 Stunden keine Lust mehr hatte und es erst Anfang November wieder angefangen habe.

Erst ab einer gewissen Schwelle, wenn man weiß was man alles NICHT machen muss, welchen Summs man ignorieren kann und wenn die Story endlich Fahrt aufnimmt, wird es besser – ab dem Moment schwankte ich permanent zwischen ehrfürchtigem “Ohgott ich möchte, dass dieses Game nie endet” und angepisstem “Oh nein NICHT NOCH ein Abend lang Fleißaufgaben und Levelgrind”! Die “Arbeit” macht man irgendwann sogar zwei Mal, weil man mit zwei Partys und insgesamt zehn Charakteren unterwegs ist. Um die Hauptstory zu erleben, muss man rund 80 Stunden einplanen. Mit allen Nebenaufgaben, Animal Crossing und Pokemon liegt man vermutlich eher bei 120 bis 150 Stunden.

“Yakuza 8” also seeeeehr lange sehr unterhaltsam, aber alles andere als das perfekte Game, als das die Fachpresse es anpreist. Vermutlich hat das Spiel nur so hohe Bewertungen bekommen, weil die Tester ob des unfassbaren Umfangs entnervt aufgegeben haben. “Komm, nimm die 90er-Wertung, aber lass uns in Ruhe!”

Was ich mir vom nächsten “Like a Dragon” aber wünsche: Keinen Kazuma Kiryu mehr. Der Hauptcharakter der alten “Yakuza” Spiele hat sechs Serienteile plus diverse Spin-Offs und Prequels getragen, ist in der “Like a Dragon”-Welt offiziell schon seit drei Spielen tot, hat schon zwei Mal die Fackel weitergereicht und erhält hier zum gefühlt x-ten Mal seinen Schwanengesang. Ja, die Figur ist eine Legende, und es war nett ihn nochmal zu sehen, was für einen Eindruck er auf andere Charaktere früherer Spiele hinterlassen hat, aber jetzt lasst ihn verdammt nochmal endlich in Ruhe sterben. Passiert vermutlich nicht, denn eine der zweifelhaftesten Aussagen des Spiels ist: Man muss es nur wollen, dann besiegt man auch Krebs.


Machen:


Neues Spielzeug:

Ein CTEK CS One Batterieladegerät. Das Ding ist zu gleichen Teilen cool und eine Unverschämtheit.
Cool: Man kann es nicht verpolen. Es lädt vollautomatisch und ermittelt dafür alleine die richtigen Einstellungen. Es lädt alle Batterietypen (AGM, CCA, Lithium-Ionen). Es besitzt Rekonditionierungs- und Wiederbelebungsprogramme. Es kann als 12V-Stromquelle genutzt werden, z.B. um während eines Batteriewechsels die Fahrzeugssysteme am Laufen zu halten.

Unverschämt: Es besitzt keine Taste. Um Funktionen wie die Rekonditionierung oder Konstantstrom zu nutzen, muss man sich per App mit der Cloud des Herstellers verbinden, sich dort einen Account anlegen, sich einloggen und dann per Bluetooth auf das Gerät gehen. Ich HASSE Geräte, die nur mit Cloudanbindung funktionieren. Zumal man hier dauernd wieder ausgeloggt wird.

Auch unverschämt: Das Gerät ist arschteuer (um die 150 Euro, auch wenn es jetzt im Sale wesentlich günstiger war) und TROTZDEM muss man Dinge wie einen Gummischutz oder ein Anschlusskabel für Peripherie Extra kaufen. Und: Die neuen Stecker sind der letzte Mist (es gibt keine Entriegelung, einmal eingerastet muss man die Nasen mit Kraft auseinanderreißen).

Ich habe es jetzt trotz der Unverschämtheiten behalten. Die V-Strom hat schon eine Dose dafür bekommen und wird nun über den Winter ab und an darüber mit Strom versorgt.


Ding des Monats:

Gummistiefel. Wollte ich mir in Anbetracht steigender Anzahl von Katastrophen, Garteneinsätzen und der Kombination (katastrophale Garteneinsätze) eh mal zulegen. Nach dem erneuten Wasserrohrbruch, während dem ich wieder auf nassen Socken durch die Gegend geflitzt bin, jetzt also Dunlop Purofort + S5 in schwarz. Neoprengefüttert, ölbeständig, Durchtrittschutz, Stahlkappe. Die nächste Katastrophe kann kommen.

Trotzdem seltsames Gefühl. Mein letztes Paar Gummistiefel war knallgelb und hatte noch Entchen auf der Seite. Da war ich fünf.


Archiv Momentaufnahmen ab 2008

Reisetagebuch Japan (4): I found Lost

Reisetagebuch Japan (4): I found Lost

Reise durch Japan. Heute entdecke ich prähistorische Astronauten und bin an Orten aus Persona 5 und Tokyo Ghost Wire. Außerdem: Warum man Influencern kein Wort glauben sollte.

Sonntag, 06. Oktober 2024, Tokyo
Ich schlafe lange, zumindest im Vergleich zu den vergangenen Tagen. Erst um 09:00 Uhr schrecke ich aus dem Schlaf hoch, schwer atmend und voller Panik. Es braucht einen Moment bis ich begreife, dass alles in Ordnung ist. Das war nur wieder dieser fürchterliche Traum.

In dem fahre ich mit einem Auto durch ein japanisches Dorf. Plötzlich kommt zwischen parkenden Autos ein kleines Kind hervorgelaufen. Ich sehe das noch aus den Augenwinkeln, aber es ist schon zu spät. Der Traum ist so realistisch, dass ich selbst nach dem Aufwachen noch das dumpfe Geräusch im Ohr habe, als der Kopf des Kindes gegen das Fahrzeug prallt.

Diesen fürchterlichen Traum habe ich immer mal wieder. Begonnen hat das vor ein Paar Wochen, seitdem ich sicher weiß, dass ich in Japan Auto fahren werden. Im Linksverkehr. In einem Fahrzeug, in dem alles verkehrt herum ist. Ich schüttele den Kopf, um ihn frei zu bekommen. Die Erinnerung an den Traum verfliegt, aber für ein Paar Minuten bleibt das schreckliche Gefühl der Schuld, gerade ein Kind getötet zu haben. Ich tappe ich ins Badezimmer und halte den Kopf unter kaltes Wasser.

Um halb Zehn verlasse ich das blaue Haus und wandere durch die Straßen, die noch sonntäglich ruhig sind. Ein Gebäude in der Nachbarschaft fällt mir besonders ins Auge. Es hat eine vorgesetzte Zierfront aus Metall, und die ist in einem Muster angeordnet, das irgendwie aussieht wie… ineinandergreifende Reißverschlusszähne? Ich muss laut lachen, als ich sehe, dass das ein Gebäude von YKK ist, dem weltgrößten Produzenten von Reißverschlüssen.

Von Akihabara aus fahre ich zwei Stationen nach Norden und steige in Ueno wieder aus. Wenn man die kleine Straße neben dem Bahnhof, in der ich in der ersten Nacht angekommen bin, nach Norden wandert und dann links abbiegt, kommt man in den Ueno Park. Der ist wie ein Kreuz angeordnet, mit einer langen und einer kurzen Achse. An der kurzen liegt der Zoo, aber der interessiert mich heute morgen nicht.

Neben dem Zoo liegt auch das Kunstmuseum, aber von dem weiß ich noch nichts. Leider. Ich bin heute morgen hier wegen dem palastähnlichen Gebäude im Norden.

Das ist das Japanische Nationalmuseum. Noch ist nicht allzuviel los, und an einem Automaten kann ich mir mit der Kreditkarte ein Eintrittsticket ziehen.

Das Gebäude ist wirklich riesig. Schon die Treppenhäuser sind gigantisch, und die Ausstellungsräume sind hoch und weit und gesäumt von Glasvitrinen.

“Nachdem über Generationen China nachgeahmt wurde, begann Japan im 10. Jahrhundert unter Führung von Adligen am kaiserlichen Hof seine eigene kulturelle Identität zu entwickeln”, lese ich auf einem Schild m ersten Saal.
Und weiter: “Die Werke, die sie schufen – neue Formen der Literatur, Poesie, Kalligraphie, Malerei und elegant verzierte Alltagsgegenstände – wurden zu Grundsteinen japanischer Kultur. Die verschiedenen Kunstformen waren eng miteinander verbunden, wobei Literatur eine zentrale Rolle spielte. Zuvor schrieben Adelige stets in Chinesisch, aber die Entstehung einer neuen Schriftsprache, der Kana, verhalf japanischer Literatur zur Blüte”.

Okay, krass – wenn alle Kunstformen quasi gleichzeitig rebootet wurden, erklärt das einiges. Zum Beispiel, warum sich bestimmte Elemente überall wiederfinden – in Gemälden, auf Kimonos, auf Waffen und Rüstungen, auf Raumteilern. All diese Gegenstände finden sich in den Vitrinen. Viele sind hunderte von Jahren alt und sehen doch trotzdem noch aus, als seien sie gestern erst geschaffen worden.


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Reisetagebuch Japan (3): Blade Runner

Reisetagebuch Japan (3): Blade Runner

Taumeln durch Tokyo. Heute bekomme ich erst kalte Füße, dann Blutdruck durch Software- und Innenraumdesign aus der Hölle.

Samstag, 05. Oktober 2024, Akihabara, Tokyo
Heute fällt mir das Aufstehen leichter, auch wenn der Wecker eine hanebüchen unchristliche Zeit verkündet: Es ist 06:30 Uhr!

Schon wenige Minuten später laufe ich durch die stillen Straßen des Wohnviertels, in dem sich das blaue Haus befindet.

Es ist mit 25 Grad immer noch warm, aber heute morgen nieselt es. Warm und feucht, das fühlt sich sehr, sehr unangenehm an. Zum Glück werde ich nichtmal richtig nass, denn wenige hundert Meter entfernt ist der Eingang zur Untergrundbahn. Von dort komme ich trocken bis in den Bahnhof Akihabara. Auch dort ist noch wenig los.

Am Boden liegt ein junger Mann. Partyleiche von letzter Nacht?

Für die Zugfahrt kann ich noch nicht meinen JR Railpass nutzen. Der aktiviert sich erst in… Datums-check… fünf Tagen.

Um ein Ticket muss ich mich aber trotzdem nicht kümmern, denn ich habe eine Suica-Karte. Das ist eine IC Card, eine Bezahlkarte, die für alles Mögliche genutzt werden kann: Einkaufen in Conbinis, Kartentelefone, an Automaten und auch und vor allem für den ÖPNV. Suicas sind prepaid und waren früher echte Kunststoffkarten, was den Vorteil der Anonymität mit sich brachte. So eine physische Karte habe ich tatsächlich auch im Portemonnaie stecken, aber nur als Reserve und weil da ein Pinguin aufgedruckt ist.

Heute nutze ich eine virtuelle Suica. Die steckt in meinem Telefon. Als das iPhone gemerkt hat, dass ich in Japan bin, hat es von sich aus die Einrichtung einer virtuellen Suica angeboten. Möglich wäre auch eine “Pasmo” oder eine “Icocoa” gewesen oder eine der anderen IC-Karten, die es in Japan gibt. Die Karten sind regional unterschiedlich verbreitet und theoretisch interoperabel, aber ich gehe auf Nummer sicher und verwende in Tokyo die Suica, die hier halt auch ihren Ursprung hat. Die virtuelle Karte im Handy hat den Vorteil, dass sie direkt mit Apple Pay verknüpft ist, was wiederum an einer Kreditkarte hängt. Klingt kompliziert? Ist es aber nicht. Im Endeffekt bedeutet das, dass ich zum Aufladen von Guthaben auf die Suica nur zwei mal auf den Bildschirm tippen muss. Bei den physischen Plastikkarten musste man immer erst einen funktionierenden Automaten suchen und da Münzgeld einwerfen.

Während der Zugfahrt lade ich nochmal zusätzliche 5.000 Yen, rund 30 Euro, auf die Karte. Die werde ich in den folgenden Wochen sicher verbrauchen.

Mit der Teihin-Tohoku-Linie geht es bis zum Bahnhof Shimbashi, südlich des Stadtzentrums. Hier verlasse ich den Bahnhof und suche nach der gleichnamigen U-Bahn-Station, die einige hundert Meter entfernt ist. Auf dem Bahnhofvorplatz steht eine Dampflok!

So, mal gucken was hier fährt. Das ist nämlich der Grund, warum ich so früh unterwegs bin. Mir ist nicht ganz klar, wie ich an mein Ziel komme.

Zu meinem eigenen Erstaunen finde ich sofort die richtige Linie. Auf Google Maps kann ich verfolgen, wie sich die vollautomatische Bahn der Yurikamome-Linie von Shimbashi langsam in Richtung Hafen bewegt. Da will ich hin!

Die Bahn dreht eine weite Pirouette über dem Wasser, bis sie sich bis auf das Niveau der Rainbow-Bridge geschraubt hat. Die verbindet das Festland mit einigen künstlichen Inseln, die man in der Bucht von Tokio aufgeschüttet hat.

Auf den Inseln stehen Gebäude herum, die direkt aus aus dem Film “Blade Runner” stammen könnten. Hier das Fernsehgebäude des Fuji-Television Network:

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Vergnaddelt

Vergnaddelt

“Na, Herr Yarisverkäufer, wie sieht´s aus? War die hintere Bremse wieder vergniestert?”

“Hörnsemirbloßauf! Die war nicht nur vergniestert, die ist total vergnaddelt. Hamwa schon von hinten gesehen, dass da der Grind suppt. Da gehnwa jetzt kein Risiko mehr ein, wir tauschen beide Bremsen hinten komplett aus”

– “Vergnistert, vergnaddelt, gesuppt” – Ich freue mich immer, wenn ich mir Fachterminologie aneignen kann.

Immerhin, mit dem Austausch der Bremsen auf Kosten des Händlers kann ich gut leben. Bis die Ersatzteile da sind, fahre ich allerdings mit der suppenden Bremse durch die Gegend, die mittlerweile ja nach Tagesform quietscht, pengt oder krcccht. Schön ist anders.

Bisher mit dem Yaris:

Reisetagebuch Japan (2): Narr in einer kalten Mondnacht

Reisetagebuch Japan (2): Narr in einer kalten Mondnacht

Reisetagebuch Japan. Heute mit musizierenden Fröschen, der schrecklichen Maman und ganz viel Crunky.

04. Oktober 2023, Akihabara, Tokyo
Gegen 19:30 Uhr bin ich hellwach und putzmunter.

Was doppelt doof ist, denn 19:30 Uhr ist es jetzt in Europa. Tokyo lieg von Deutschland aus sieben Stunden in der Zukunft, hier ist es erst 2:30 Uhr. Schräg. Vor drei Stunden habe ich erst die Augen zugemacht. Anscheinend ist mein Körper noch im Alarmmodus – kurze Tiefschlafphase, dann wieder auf Einsatzbereitschaft. Mit Jetlag habe ich bislang nie Probleme gehabt, vermutlich kommt das von der langen Wachphase am Vortrag und der ganzen Aufregung.

Ich lese ein wenig und versuche wieder einzuschlafen, aber das will nicht richtig gelingen. Erst als gegen sieben Uhr Ortszeit der Wecker klingelt, bin ich gerade wieder im Tiefschlaf und werde danach überhaupt nicht mehr wach. Dammit.

Gegen 7:45 Uhr habe ich es endlich geschafft aus dem Bett zu fallen und notdürftig in Hemd und in Hemd und Hose zu steigen. Schlaftrunken verlasse ich das “Akino” und laufe die Straße runter bis zum Eingang der U-Bahn. Der Stadtteil Akihabara ist als Homebase wirklich gut geeignet. Neben der Metro, an der sich mehrere große Linien kreuzen, hat er auch einen großen Bahnhof. Ich bin ja schon einmal in Japan gewesen. Vor fünf Jahren, 2019. Damals habe ich Tokyo schon kennen lernen dürfen, zumindest winzige Teile davon.

Irgendwie hat diese Stadt und das Land mich dann nicht mehr losgelassen – gerade im vergangenen Jahr hing ich ständig dem Gedanken nach, Japan und seine Kultur und seinen Alltag besser kennen lernen zu wollen. Bei jedem Videogame, das in Tokyo spielte, und jedem japanischen Film träumte ich mich wieder hier hin zurück. Zumindest so lange, bis der Flug gebucht war, dann war das Interesse schlagartig weg.

Heute morgen spüre ich aber wieder, was Japan für mich so interessant macht. Hier geht man einfach anders an Dinge ran als in Westeuropa. Gleiche Problemstellungen, völlig andere Lösungen. Das ist Ausdruck einer ganz anderen Denkweise – einer, bei der nicht das Individuum und dessen Freiheit den absoluten Vorrang hat, sondern das Wohl der Allgemeinheit im Vordergrund steht. Eines der Paradigmen der Spieltheorie sagt: “Wenn jeder seine Situation zu verbessern sucht, verschlechtert er oft die Situation für alle”. Auch bekannt als Rollkoffertheorem. Ein Rollkoffer ist für eine einzelne Person eine Verbesserung, aber wenn alle Rollkoffer benutzen, ist kein Durchkommen mehr.

Meine Schwester fragte mich mal, wie mich ein Land faszinieren kann, in dem es so dermaßen viele Regeln gibt. Sie hat natürlich Recht. Die japanische Gesellschaft kennt Tausende von Regeln. Wenn man nicht hier aufgewachsen ist, dann ist es unmöglich die zu kennen. Aber es gibt eine oberste Direktive, und wenn man sich an die hält, macht man schon ganz viel richtig.

Sie lautet: “Geh anderen Leuten nicht auf den Sack”. Verhalte Dich so, dass Du andere nicht störst.

Davon leitet sich alles andere ab: Telefoniere nicht in der Öffentlichkeit. Rede nicht laut im Zug. Benutz kein aufdringliches Aftershave. Spuck nicht auf den Boden. Sei höflich. “Geh anderen nicht auf den Sack” ist eine Regel, die ich überaus gut finde und unterstütze. Da sich hier alle daran halten – mit Ausnahme der amerikanischen und chinesischen Touristen – ist der Aufenthalt in Japan für mich sehr, sehr angenehm.

Jetzt, als ich durch die Straßen laufe und die Schilder an den Geschäften sehe, die ich immerhin zur Hälfte lesen kann, kribbelt in mir wieder ein wenig die Vorfreude im Magen. Die Vorfreude darauf, Fremdes und die japanische Art zu Denken kennen zu lernen. Ach ja, und einfach mal ein paar Wochen von der Arbeit weg zu sein, das ist auch gut.

Das U-Bahn System in Tokyo ist einfach, die Linien sind farblich codiert und die Stationen sind nummeriert und am Bahnsteig steht genau, wohin die Bahn fährt. Mit meinem drei-Tages-Ticket, dass ich gestern zusammen mit dem Skyliner-Ticket abgeholt habe, laufe ich einfach durch eine der Schranken. Die Zug der Hibayi-Line bringt mich bis in den Stadteil Minato, wo unter anderem die noblen Roppongi Hills liegen – gläserne Türme voller Luxusboutiquen und Schönheitskliniken.

Minato ist im Kern ein Businessviertel, aber halt so groß wie eine ganze Stadt. Hier sitzen die ganzen großen Konzerne: Honda, Mitsubishi, NEC, Nikon, Softbank, Sony, Fuijitsu usw. usf..

“FREUDE by BMW” verkündet ein Schild. Aha. Filialen deutscher Luxusautomarken finden sich hier also auch. Warum auch nicht, Japan und Deutschland sind sich sehr ähnlich – beide hinken bei der Digitalisierung hinterher, beide setzen noch viel auf Verbrenner.


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Agathe 2024/25

Agathe 2024/25


Agathe ist wieder da! Immer noch als Mini-Version, aber immerhin: Das, was da keck aus dem Blumentopf lugt, sieht schon wieder mehr wie die alte Agathe aus und nicht wie die mickrige Adele im vergangenen Jahr.

Wir erinnern uns: Agathe, das war ein gigantischer Weihnachtskaktus, den der Vormieter hier in der Wohnung zurückgelassen hatte. Jahrelang sah Agathe das ganze Jahr über aus wie knotiges Gemüse aus dem Weltall, bis sie dann im November anfing, sich in einen rosafarbenen Wasserfall zu verwandeln.

Dann kam ich auf die grandiose Idee, sie nach über 10 Jahren mal von ihrem Mitbewohner, dem teuflichen Drachenbaum, zu befreien. Das ging so gründlich schief, das nur kleine Teile von Agathe zu retten waren. Diese mickrigen Reste bekamen dann auch noch Nachtfrost ab, und mehr tot als lebendig siechte Agathe in einem Topf mit einem japanischen Maulbeerbaum dahin:

Diese WG war keine gute Idee. Anders als in der Beschreibung angegeben braucht der Maulbeerbaum enorme Mengen Wasser. Agathe nicht. Deshalb nahm ich sie im Sommer aus dem großen Bodentopf und steckte sie in einen eigenen. Den mag sie, seitdem wächst sie wieder ordentlich und blüht jetzt auch wieder schön:


(Pinguin for Size)

Gut, sie blüht gerade nur auf einer Seite, aber irgendwas ist ja immer.

Bis Agathe so groß ist wie früher…

…wird es noch etwas dauern, aber sie ist auf dem richtigen Weg.

Frühere Agathes:
Agathe Adele 2023/24
Die dicke Agathe 2022/23
Die dicke Agathe 2021
Die dicke Agathe 2020
Die dicke Agathe 2019
Die dicke Agathe 2018
Die dicke Agathe 2017

Reisetagebuch Japan 2024 (1): Kein Bock

Reisetagebuch Japan 2024 (1): Kein Bock

Wie kann man keine Lust haben nach Japan zu reisen? Das Reisetagebuch beginnt mit einem sehr stolperndem Start – und mit einem Klassiker: Ich sperre mich irgendwo ein und komme nicht mehr raus. Die Tour findet ohne eigenes Motorrad statt, deshalb erscheint nur dieser Teil im Motorrad-Blog-Reddit. Als Hinweis, quasi. Jeden Samstag erscheint ein neuer Teil des Reisetagebuchs, dafür gibt es aber keinen Reddit-Eintrag mehr.

November 2023 bis August 2024

Kein Bock.

Ich habe einfach. Keine. Lust.

Keine Motivation, in irgendeiner Art diese Reise vorzubereiten.

Und das mir!

Ich bin normalerweise der, der großen Spaß daran hat, jedes Detail einer Reise im Vorfeld auszuknobeln. Allein schon deswegen, um möglichst viel rauszuholen und keine Zeit zu verschwenden.

Und nun? Habe ich die größte und längste Tour meines bisherigen Lebens vor mir, und ich habe keinen Bock mich darum zu kümmern.

Bereits im November 2023 buchte ich einen Flug nach Japan für den Oktober 2024, und legte ganz enthusiastisch eine Planungstabelle und kramte die Reiseführer wieder raus und dann… hatte ich keine Lust die zu lesen. Andere Dinge waren wichtiger, und nach der Arbeit war ich einfach zu müde um mir Dinge auszudenken. Wintermüdigkeit, dachte ich im Dezember 2023.

Auch im folgenden Januar und Februar und März hatte ich keine Lust auf Reisevorbereitungen. Das machte mich aber nicht nervös oder unzufrieden – irgendwann, da war ich mir sicher, würde die richtige Zeit kommen, und mit ihr die Motivation, und dann ginge bestimmt alles ganz schnell und wie von selbst.

Spoiler: Tat es nicht.

Statt mich um darum zu kümmern was ich einen Monat lang in Japan tun wollen würde, sehnte ich mich nach Besuchen auf gewissen italienischen Bergfarmen und klöppelte an einem neuen Moped herum. Das musste natürlich im April und Mai auch gefahren werden.

Im Juni saß ich auf dem Balkon, die aufgeschlagenen Reiseführer auf dem Schoß, und träumte mit offenen Augen vor mich hin.
Im Juli stand dann eine kurze Fahrt nach Italien an, und im August schrieb ich lieber darüber als mich um Japan zu kümmern.

Was hatte ich in der Zwischenzeit hinbekommen? Nicht viel. Immerhin hatte ich eine Idee gehabt: Japan ist ja ganz schön groß und besteht aus tausenden Inseln, aber es gibt ein “Festland” aus vier großen Hauptinseln. Die strecken sich über fast 2.000 Kilometer, und ich wollte, so die Idee, vom nördlichsten Punkt bis zum südlichsten reisen.

Eine durchaus interessante Reise. Hier sieht man, wie groß Japan ist. Die nördlichste Insel liegt auf Höhe von Deutschland, das Südkap der Hauptinseln schon in Nordafrika. Eine Tour vom mitteleuropäischen Herbst bis nach Ägypten.

Die Fortbewegung? By any Means, also mit jedem Verkehrsmittel was in Frage käme.

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