Reisetagebuch Japan (15): Ich bin im Dschungel, holt mich hier raus!!

Reisetagebuch Japan (15): Ich bin im Dschungel, holt mich hier raus!!

Das Dschungelcamp. Heute mit dem Reisetagebuch, einem Monsun, Regenwald-im-wahrsten-Sinne-des-Wortes und was der Mission “Erreiche den südlichsten Punkt Japans” noch so im Weg stehen kann. Ach, und ich schreie einen Tankwart an.

19. Oktober 2024, Sakurajima
Frühstück gibt´s im Hotel nicht, zumindest nicht für nicht-Japaner, also muss es das komische Brötchen mit Melonengeschmack aus dem Conbini tun. Dazu ein löslicher Kaffee. Also, wenn ich den Wasserkocher zum Laufen bekomme nur: Warum geht dessen Stecker nicht in die Steckdose? Egal wie sehr ich daran rumruckele, der will nicht.

Da muss es einen Trick geben. Muss man hier noch irgendwo drücken, ziehen oder reiben? Ob das Schild daneben Auskunft gibt? Was sagt denn der Übersetzer dazu?

Ach guck an! Die Blende lässt sich verschieben, das ist eine Kindersicherung! Ja cool. Wenn man es weiß, dann funktioniert das auch mit dem Stecker.

Einen heißen Kaffee in der Hand schaue ich über die Bucht. Der Himmel ist bedeckt, und schwere Regenwolken ziehen vom Meer heran. So lauschig die vergangene Nacht auch war: Das hier ist Schietwetter.

Besserung ist nicht in Sicht, im Gegenteil: Die stärksten Niederschläge ziehen alle Richtung Südcap, und das ist dummerweise genau der Ort, wo ich heute hin will.

Noch während ich die Wetterkarte studiere, beginnt es draußen zu regnen. Erst ein wenig, dann immer heftiger. Ich seufze und greife mir den Rucksack. Nützt ja nichts, also los!

Als ich den Yaris gerade vom Parkplatz steuern will, irritiert mich irgend etwas. Ich kann im Nachhinein nicht mal mehr sagen was es war, was mich abgelenkt hat, auf jeden Fall schaue ich nach rechts und lenke nach links und ausgerechnet dort ist ein Bordstein, so hoch wie eine Treppenstufe. Das linke Vorderrad des Yaris schrappt daran entlang, und obwohl ich gleich wieder einschlage, ist der Schaden passiert: Die Abdeckung der Felge hat derbe Kratzer abbekommen. Doof. Sowas ist mir noch NIE passiert in 30 Jahren Führerschein. Das wird Nou-San nicht freuen, wenn ich ihr ihren fast noch fabrikneuen Yaris zerschrammt zurückbringe.


Weiterlesen Weiterlesen

Reisetagebuch Japan (14): Aravanadi

Reisetagebuch Japan (14): Aravanadi

Das Reisetagebuch in Japan. Heute mit einem neuen Yaris, einer Vulkaninsel und Elektroschocks.

18. Oktober 2024, Nagasaki
Um kurz nach sieben rolle ich aus dem Bett. Mittlerweile ist das meine Standard-Aufstehzeit. Was ist eigentlich aus “lange ausschlafen und relaxen” im Urlaub geworden?, denke ich und muss grinsen. Hey, immerhin ich habe das hier so gewollt – dieser Urlaub dient dazu möglichst viel zu sehen, Land und Leute zu erkunden und vor allem: Zu lernen. Keine Ahnung was, aber wenn man im Bett liegen bleibt, lernt man halt wenig.

Übrigens: Der Albtraum ist weg. Ich habe ja immer wieder geträumt, dass ich in Japan ein Kind anfahre. Das hat mich wochenlang gequält, aber seitdem ich hier wirklich selbst Auto gefahren bin, habe ich davon nie wieder geträumt. Jetzt freue ich mich auch richtig auf´s Autofahren, und heute ist es wieder soweit!

Die Sachen sind schnell gepackt, dann sitze ich noch ein wenig herum. In einem Anfall von geistiger Umnachtung habe ich das Auto erst für 9:00 Uhr gebucht, obwohl die Verleihstation schon um acht aufmacht und ich heute einen sehr sehr langen Weg habe. Zu lang, wie ich jetzt realisiere. Auf die Zeitangaben von Google Maps Routenplanung kann man sich leider in Japan nicht unbedingt verlassen, weil es am Ende doch immer noch langsamer vorangeht, als man ohnehin schon vermutet hat.

Ich werde nicht darum herum kommen die Autobahn zu nehmen. Wenn ich ganz normal Landstraße fahre, werde ich erst nach Sonnenuntergang am Ziel ankommen, und das möchte ich nicht.

Das Frühstück kommt heute mal wieder aus dem Conbini und ist Spam. Nein wirklich, es gibt “Spam Sandwiches”, bei der das prozessierte Frühstücksfleisch mit einer Unterlage aus Reis verbacken ist, und das schmeckt erstaunlicherweise ziemlich gut.

Um 8:30 Uhr nehme ich den Bus, den ich schon nach vier Stationen wieder verlasse. Jetzt bin ich am Bahnhof, und es sind nur noch wenige Schritte bis zur Vermietstation.

Hinter dem Tresen steht eine Angestellte in der Uniform der Vermietung, weiße Bluse und dunkle Anzughose, dazu eine schwarze Weste und eine FFP-Maske. “Nou” steht auf ihrem Namenschild.

“Speak English?”, frage ich und Frau Nou guckt traurig und schüttelt den Kopf. Zum Glück, sowohl für sie als auch für mich, kenne ich mittlerweile den Ablauf der Vermietung und überreiche nacheinander meinen Voucher von Sunnycars, den Reisepass, den Führerschein und dessen amtliche Übersetzung, dafür zeigt sie mir auf Bildchen wie die Stoppschilder aussehen.

Dann legt sie mir verschiedene Formulare vor und fragt einzelne Worte.
“Insurance?”
Ich schüttelte den Kopf und sage “いいえ”, Īe, das heißt nein. Um zu bestätigen, dass sie mich richtig verstanden hat, verschränkt Nou-San die Unterarme vor dem Kopf, das mächtige Zeichen für “Nein”, und legt den Kopf schief. Ich nicke.

Das ganze Prozedere dauert recht lang, viel länger als in Sapporo. Eigentlich hatte ich den Wagen ja erst für 9:00 Uhr bestellt, war aber schon um 8:40 Uhr hier. Und das ist auch gut so, wie sich herausstellt. Es haben nämlich noch mehr Leute für Punkt neun ein Auto bestellt, und auch in Japan ist man fünf Minuten vor der Zeit da. Also ist um 8:55 Uhr der Laden voll, aber da sind Nou-san und ich schon fast durch durch.

Mit wachsender Nervosität sehe ich, wie draußen ein Citroën fertig gemacht wird. Wie kommt man auf die Idee, französische Autos als Mietwagen einzusetzen? Mietwagen müssen doch zuverlässig sein!

“Könnte ich bitte einen Yaris bekommen?”, frage ich. Nou-San schaut in irgendwelchen Akten nach und sagt dann “Eulope Cal”.
“Nein nein nein”, sage ich und das klingt wie “Iie Iie Iie”, also ungefähr wie der Motor eines Citroën, und dazu verkreuze ich die Unterarme vor dem Gesicht und schüttele zur Verstärkung noch den Kopf. “No Europe Car! Yōroppa-sha wa nashi! Yarisu o kudasai”, suche ich meine wenigen Brocken Japanisch zusammen. Nou-San blättert in einem großen Buch, nickt und sagt dann “Yaris”. “Arigatō gozaimasu!”, rufe ich.

Ach, ich brauche ja noch was. “Cardo ETC?”, frage ich.
“ETC!”, ruft sie.
“ETC”, nicke ich. Sie tippt Zahlen in einen Taschenrechner ein und legt mir den vor. 330 steht im Display. Okay, anscheinend kostet die Ausleihe der ETC Karte 330¥.

Nou-San bittet mich mitzukommen, und vor der Vermietstation steht jetzt schon ein weißer Yaris mit laufendem Motor. Wir inspizieren das Auto, finden aber trotz intensiver Suche keinen einzigen Kratzer. Die Kiste ist quasi fabrikneu, gerade mal 5.900 Kilometer hat der runter.

Ich nehme hinter dem Lenkrad Platz und bitte Nou-San, mir den Wagen auf Englisch einzustellen. Sie tut wie gewünscht und schiebt dann noch die ETC-Karte in das Lesegerät neben meinem rechten Knie.

Ein Yaris! Ach, das wird ein Spaß! Ich verabschiede mich von Nou und fahre vorsichtig aus der Mietstation heraus und in den Stadtverkehr von Nagasaki.

Der ist geprägt von roten Ampeln.
VIELEN roten Ampeln.
Vielen roten Ampeln die tatsächlich auch Eeeeeeeeeeeeeewigkeiten rot bleiben. Kein Witz, die Umlaufzeiten liegen hier bei vier bis fünf Minuten. Heidewitzka. Immerhin: Ein guter Teil der Strecke führt unter der Stadt hindurch.

Als der Toyota endlich aus dem Stadtgebiet raus ist und auf die Autobahn fädelt, die ETC-Mautkarte piept und ich sicher bin, in die richtige Richtung zu fahren, will ich dem Yaris das Fahren überlassen und den Tempomaten einstellen – und drücke ins Leere. Ungläubig starre ich auf´s Lenkrad. Dort, wo bei meinem Yaris und dem letzten Mietwagen einen Tempomat und die adaptive Fahrregelung saßen, sind bei diesem Fahrzeug nur Blenden angebracht. Sehr schade, dann können wir uns das Fahren nicht teilen.

Es geht über Land vorbei an grünen Wäldern, die teils an steilen Feldbergen wachsen.

Die Autobahn zieht sich über große Städten weg, in Kilometer langen Tunnels durch Berge und dann sehr gerade nach Süden, quer über die Insel Kyushu. Das hier ist der Kiyushu-Highway, auf dem heute gefühlt jeder zweite Tunnel auf Sicherheit überprüft wird und deshalb auf eine Spur in jede Richtung verengt und die Geschwindigkeit auf Tempo 50 reduziert ist. Da die Tunnels bis zu fünf Kilometer lang sind, zieht sich das.

So langsam zu fahren macht keinen Spaß, zumal die Japaner das Tempolimit größtenteils ignorieren und auf der Autobahn heizen wie die besenkten Säue. Also nicht im Sinne von “200 Km/h schnell”, aber an das Tempolimit in den Tunnels und im Freien an das generelle Limit von 120 hält sich praktisch niemand.

Besonders schlimm sind LKWs. Wenn man mit 50 km/h oder 60 km/h durch so einen Tunnel fährt und einem ein LKW bis auf drei Zentimeter auf die Pelle und der chromblitzende Kühlergrill die ganze Heckscheibe ausfüllt, dann macht das überhaupt keinen Spaß und fühlt sich sehr nach Italien an. Mit dem Unterschied, dass in Italien in Tunnels nicht geblitzt wird. Von Japan weiß ich das nicht.


Weiterlesen Weiterlesen

Review: Ein Jahr mit der Suzuki V-Strom 800

Review: Ein Jahr mit der Suzuki V-Strom 800

Dieser Text erschien zuerst in Kradblatt 03/2025 Die komplette Online-Ausgabe gibt es HIER. Lest das Kradblatt, es ist sehr gut!

“Darauf habe ich also sieben Jahre lang gewartet?”, frage ich mich, als ich die V-Strom 800 über die Bergstraßen der Abruzzen treibe. Nein, stelle für mich fest: Die neue Straßenversion von Suzukis Reiseenduroreihe ist nicht das, was ich erwartet habe.

Sieben Jahre sind eine lange Zeit.
Vor sieben Jahren, im Februar 2017, kaufte ich eine gebrauchte Suzuki V-Strom DL 650. Ich war sofort begeistert: Eine große, ergonomische Maschine, für lange Reisen genauso geeignet wir für den täglichen Weg zur Arbeit. Ein unkaputtbares und sparsames Arbeitstier. Eine unauffällige, uneitele und zuverlässige Begleiterin.

Als ich sie kaufte ging ich davon aus, dass ich die 650er ungefähr fünf Jahre fahren würde. Bis dahin, so mein Kalkül, würde Suzuki eine neue Version der V-Strom rausgebracht haben. Im einfachsten Fall mit moderner Technik, denn so ausgereift und zuverlässig die 650er auch war: Sie wurde Anfang der 2000er Jahre konstruiert und seitdem kaum verändert, und das war zu merken. Ich war gerne mit ihr unterwegs, für eine Nachfolgerin wünschte ich mir aber dringend eine ordentliche Federung, eine moderne Beleuchtung und griffigere Bremsen. Im allerbesten Fall, so stellte ich mir vor, würde Suzuki eine V-Strom mit ein wenig mehr Hubraum rausbringen. Eine 800er wäre meine Traum – die perfekte Größe zwischen der handlichen und wendigen 650er und der durchzugsstarken, aber behäbigen 1.000er.

Die Jahre zogen vorüber. Von Suzuki kam: Nichts.

Die Japaner polierten im Rahmen der Modellfplege die 650er ein wenig auf, unter dem neuen Plastikkleid blieb die Technik aber weiterhin unverändert. So behielt ich meine alte 650er und reiste mit ihr kreuz und quer durch Europa.

Erst 2023 und damit geschlagene sechs Jahre, nachdem ich die V-Strom zu schätzen gelernt hatte, kam die Meldung: Es gibt eine Neue! Die V-Strom 800 DE war eine von Grund auf neu entwickelte V-Strom, mit 800 Kubikzentimeter, einem Parallel- statt einem V-Twin-Motor und getrimmt auf Geländetauglichkeit. Daher auch das Kürzel: “DE” für “Dual Explorer”, gleichermaßen tauglich für Straße und Gelände. Ich stand an Tag eins bei der Händlerin und fuhr die V-Strom 800 DE Probe. Mit dem Ergebnis: Feines Motorrad, aber nicht MEIN Motorrad. Die “Geländeversion” war nichts für mich. Zu hoch, dabei zu schwer und mit einer Ausstattung, die nicht zu meinen Bedarfen passte.

Zum Glück wurde im Herbst 2023 dann die Straßenversion vorgestellt, die V-Strom 800. In Deutschland trägt sie kein weiteres Kürzel, in anderen Ländern wird sie als 800 RE oder SE bezeichnet. Durch Glückes Geschick war ich einer der ersten, der in Deutschland eine der neue 800er bekam. Das bedeutete auch: Abschied von der 650er, die zu dem Zeitpunkt satte 108.000 Kilometern auf der Uhr hatte.

Seit Februar 2024 bin ich nun mit der V-Strom 800 unterwegs und habe mittlerweile fast 10.000 Kilometer auf europäischen Straßen abgerissen. Zeit für einen kleinen Erfahrungsbericht – und einen Vergleich mit der Vorgängerin, denn die Frage ist ja: Konnte Suzuki mit der komplett neu konstruierten V-Strom 800 an die Tugenden der alten V-Stroms anknüpfen? Hat die neue 800er trotz der zahlreichen Änderungen und modernerer Technik noch V-Strom DNA?

Weiterlesen Weiterlesen

Battle Axe!

Battle Axe!

“Sie dürfen nur den Bridgestone Battleaxe fahren und den…”
“Moment”, unterbreche ich den TÜV-Prüfer, “Meine ZZR hat keine Reifenbindung eingetragen.”
“Doch, steht hier. “Reifenbindung laut Betriebserlaubnis” und in der steht der Battleaxe und der…” Der Prüfer sieht aus wie ein Wikinger, mit einem langen, roten Bart. Kein Wunder, dass der auf Battleaxe steht.

“Aber meine ZZR hat keine nationale Zulassung, bei der diese Regelung greifen würde. Die hat schon eine EU-Zulassung, damit darf ich auch die zugelassenen Reifen anderer Hersteller fahren”, protestiere ich gelassen.

“Gucken wir mal. Und die Herstellerfreigabe hamse dabei?”, sagt der TÜV-Mann. Ich nicke und ziehe das Papier aus der Platiktüte mit den ganzen anderen Allgemeinen Betriebserlaubnissen. Dann gehen wir hinaus in die Halle, wo die Renaissance neben einem Abgasprüfstand steht und vom Azubi vergewaltigt wird. Wieder und wieder reisst der schlacksige Junge mit der großen Plastikbrille am Gas und glotzt dabei auf einen Kontrollmonitor, auf dem sich aber nichts tut. Warum klebt da eine Sonde am Hitzeleitblech?

“HÖR AUF GAS ZU GEBEN! MESSUNG NUR IM LEERLAUF! UND MACH DAS DING DA AB! DIE HAT KEINEN KAT!”, brüllt der TÜV-Prüfer. Aha.

“So, Reifen, Reifen… Okay. Gleiche Dimensionen, EU-Zulassung, Herstellerfreigabe – dann dürfen´se die tatsächlich fahren”.
Ich atme auf.

Aber jetzt ist wohl der Ehrgeiz geweckt. Mit der Taschenlampe geht er nun auf die Suche. Und wird fündig.
“Stahlflexleitungen? Ham´se da die Papiere dabei?”

Ich nicke, obwohl ich genau weiß, dass ich dafür keine Papiere habe. Genauso wenig wie für das Wilbers-Fahrwerk. Warum habe ich dazu eigentlich nichts? Hab ich vom Vorbesitzer nichts zu bekommen, obwohl der sonst in allem so ordentlich war. Wollte bei den letzten sieben Hauptuntersuchungen aber auch keiner sehen.

“Na, dann zeigen´se mal!” ruft der TÜV-Prüfer und grient. Ich überlasse ihm die Plastiktüte und er blättert nacheinander ABEs durch. “Windschild… Oh, andere Bremsscheiben? Ts. Und was hamwa hier? Federbein, aber da fehlt die zweite Seite. Und nichts zu den Stahlflexleitungen”, dröhnt er.

Währenddessen zupft der Azubi an meinem Arm und hält mir den Fahrzeugschein hin, in den beim letzten TÜV vom Prüfer handschriftlich der Vermerk gekritzelt wurde “Nächste HU: M… 2025”.
Er nuschelt “Heißten das? Mai oder März?”
“März”, sage ich ohne hinzugucken, “deshalb bin ich ja JETZT hier”.
“Kann man aber schlecht lesen”, nuschelt der Azubi.
“Kann ich nichts für”, sage ich.
“Muss ich dann ändern”, nuschelt der Azubi.
“Warum?” schnappe ich und schaue den Azubi scharf an. Der guckt verwirrt und geht weg.

“Also, einfach so Stahlflexleitungen einbauen und dann keine ABE, das geht SO natürlich nicht”, setzt der Prüfer erneut an, “Stahlflex ist ja an sich gut, aber… Was IST DENN?” herrscht er den Azubi an, der nun an seinem Arm rumzuppelt und ihm meinen Fahrzeugschein hinhält. Wenn der jetzt den Prüfer fragt, ob das Mai oder März heißt, fängt er sich eine Schelle, das ist dem Prüfer anzusehen.

Aber der Azubi hat was anders im Schein gefunden. “Hat das was zu sagen das hier im Schein Wilbers-Federn und Stahlflexleitungen stehen?”, will der junge Mann wissen.
Der Prüfer nimmt ihm den Schein aus der Hand, studiert ihn sorgfältig, klappt ihn zu und schaut dann auf. “Zahlen Sie Bar oder mit Karte?”

(Zur Doku: 91,00 Euro im 2025)

Reisetagebuch (13): Schatten der Vergangenheit

Reisetagebuch (13): Schatten der Vergangenheit

Reisetagebuch Japan. Heute schmiere ich mich mit Bärchenmilch ein, aber das ist auch so ziemlich das einzig Lustige.

Donnerstag, 17. Oktober 2024, Nagasaki
Es ist 08:00 Uhr, als ich in den Bus direkt vor dem APA-Hotel steige. Die Tür schließen sich mit einem Zischen und sperren zumindest für einen Moment die jetzt schon heiße und staubige Luft aus. Der Bus zockelt langsam um eine Ecke und biegt auf die Hauptstraße ein, dann latscht der Fahrer urplötzlich auf´s Gas und rast wie ein Besengter, nur um dann an der nächsten Haltestelle eine Vollbremsung hinzulegen, die alle Passagiere auf den Sitzen nach vorne wippen lässt. Der muss wohl einen Fahrplan einhalten.

Ich gucke aus dem Fenster und amüsiere mich über das “Coruscant Hotel” – ob da wohl der Imperator abteigt?

Einige Kilometer nördlich steige ich aus. Eigentlich wäre ich die Strecke zu Fuß gelaufen, aber bei dieser Hitze und der tropischen Luftfeuchtigkeit halte ich lieber mit meinen Kräften Haus.

Immerhin den letzten Kilometer geht es zu Fuß einen Berg hinauf. Zum wiederholten Mal fällt mir auf, wie schön in Japan die Kanaldeckel der Städte und selbst Pflanzeneinfassungen gestaltet sind.

Mein Ziel ist ein großes Gebäude, das von Weitem aussieht wie ein Backsteinbau, es dann aber doch nicht ist. Er besteht aus geschnittenen, großen Steinquadern, die aussehen, als wären sie schon einmal woanders verbaut gewesen.

Vor dem Gebäude stehen Statuen. Es erschliesst sich auf den ersten Blick, dass sie vom Verlust von Unschuld und Tod erzählen.


Weiterlesen Weiterlesen

Momentaufnahme: Februar 2025

Momentaufnahme: Februar 2025

Herr Silencer im Februar 2025

“ALLES ändert sich in diesem Jahr.”

Wetter: Die ersten Tage trocken und kalt, zwischen Minus neun und plus vier Grad. In der dritten Woche dreht der Frühling auf, plötzlich sind tagsüber 14 Grad und es ist Moppedwetter.


Lesen:

Jürgen Theiner: Motorprosa – Geschichten aus der Kurve [2020, Kindle]
Der Winter ist genau die richtige Zeit, um Bücher über das Motorradfahren zu lesen. Diesen Februar bin ich nicht wieder auf ein Buch der Kradvagabunden reingefallen, sondern habe mir endlich die “Motorprosa” von Jürgen Theiner gegönnt.

Jürgen ist einer der sprachlich und stilistisch besten Motorblogger im deutschsprachigen Raum. Auf Motorprosa.com schreibt er extrem gekonnt und immer liebevoll über das Motorradfahren. In 2020 erschien dann dieses Buch. Da ich dachte, ich würde schon alles von ihm kennen, habe ich es lange ignoriert – was ECHT DUMM war, denn das Buch ist nicht einfach nur eine Kompilation des Blogs.

Theiner erzählt hier seine Lebensgeschichte, zumindest den Teil, der mit zwei Rädern und einem Motor zu tun hat. Von der beginnenden Faszination eines Bubs in Südtirol, der mit einem frisierten Moped vor Carabinieris floh, über die Hürde des Füherscheins, Unfälle, Liebschaften, verunglückte Reisen… dabei steht nicht die Technik oder das Motorrad an sich im Vordergrund, sondern die Emotionen die es auslöst, wie es das Leben prägt und was für Empfindungen es ermöglicht.

Alles stets selbstironisch und witzig geschildert, was nicht nur erfrischend ist, sondern der Erzählung extrem gut tut. Denn JEDER Motorradfahrer kennt die “Shit Shit Shiiiiit”-Momente, wenn man feststellt, dass man mal wieder etwas Dummes gemacht hat – sei es, das aus den fingerlosen Chopper-Handschuhen, die man gerade noch so cool fand, plötzlich blau gefrorene Finger ragen, weil man sich unvermittelt auf einem schneebedeckten Pass wiederfindet, sei es, dass man eine Strecke falsch einschätzt und völlig durchnässt mitten in der Nacht in der Pampa steht und derbe Ärger mit der Sozia bekommt.

Jürgen Theiner lässt diese Episoden nicht aus, sie sind essentieller Bestandteil seiner Geschichte. Nach hinten raus wird es leider weniger anekdotisch und eher eine Aufzählung der fahrbaren Untersätze, aber dennoch: Dieses Buch ein echtes und sehr kurzweiliges Vergnügen. Eine Fortsetzung wäre nice, zumal Jürgen seit einigen Jahren auch elektrisch unterwegs ist. Wer einfach mal in Jürgens Theiners Welt reinlesen will: Hier zum Blog: Motorprosa


Hören:


Sehen:

Quantum Leap [2022, Joyn]
“Nachdem er die Theorie aufgestellt hatte, dass man innerhalb seiner eigenen Lebenszeit Zeitreisen könne, stieg Dr. Sam Beckett in den Quantensprungzeitbeschleuniger und… verschwand”

Sam Beckett kehrte nie nach Hause zurück, und 25 Jahre später versucht ein neues Quantum-Leap-Team herauszufinden, was damals eigentlich passiert ist. Dummerweise steigt der Teamleiter heimlich in den Quantensprungzeitbeschleuniger und verschwindet ebenfalls. Warum hat er das getan, und was verschweigt er seinem Team? Das weiß sein Schweizer-Käse-Gedächtnis nicht mehr. Er hat auch ganz andere Probleme, denn das Gesicht im Spiegel ist nicht sein eigenes…

Meine Güte, ich habe “Zurück in die Vergangenheit”, wie “Quantum Leap” bei uns hieß, geleaped!!

Die 1989er Serie lief bei uns ab 1991 am Sonntag Morgen auf RTL und das war ein Pflichttermin. Nie wusste man, was einen als Nächstes erwartete, jede Folge spielte in einer anderen Zeit und befasste sich mit einem anderen Thema. Sam Beckett sprang nämlich in die Körper anderer Menschen und musste in der Vergangenheit etwas zum Besseren ändern, was einst schief gelaufen war. Das waren mal kleine Schicksale, wie das Leben der alleinerziehenden Mutter oder des Jazztrompeters, mal Geschehnisse der Weltgeschichte (“Ich konnte Kennedy nicht retten” – “Weißt Du, Sam, in der ersten Version der Geschichte starb Jacky. Du warst wegen ihr dort.)

Nun also eine Neuauflage, und NBC gibt sich hier erkennbar Mühe alles richtig zu machen und das Original zu ehren. Die Stories sind gut, die Produktion hochwertig und am Schönsten ist, dass man mehr von der Gegenwart sieht und es hier eine sehr gute, episodenübergreifende Handlung gibt. Warum ist Ben Song heimlich verschwunden? Wer ist der Hacker im System von Ziggy? Warum ist noch ein Leaper in der Vergangenheit unterwegs? Und wo ist Al Calaviccis altes Handlink hin? Hat das vielleicht seine Tochter mitgehen lassen?

Fein: Der neue Leiter des Quantum Leap Projekts wird von Ernie Hudson (Ghostbusters) gespielt, dessen Figur in der Episode “The Leap Home” in der Originalserie von Sam Beckett übernommen wurde. Geile Idee.

Sehr cool und gut gemacht, trotzdem leider nach zwei Staffeln eingestellt worden.

Titanique [2021, Criterion Theatre]
“…und dann ertranken 1.514 Menschen, als die Titanic sank”, sagt der Museumführer. “MOOOOOOMENT! Das ist nicht, woran ich mich erinnere!”, ruft Celine Dion dazwischen und erzählt dann die wahre Geschichte der “Titanic”, so, wie sie sie erlebt hat – denn sie war natürlich dabei. Gerade war sie noch mit Sting am abrocken um Jack und Rose zusammenzubringen, da hat Tina Turner das Schiff versenkt, aber gestorben, gestorben ist niemand! Weil Celione alle mit “My heart will go on” ins Leben zurückgesungen hat!

Völlig überdrehtes Stück, arschlustig wenn man den Film gesehen hat und doppelt gut, wenn man das Werk von Celine Dion kennt und deren Songs in einer Nummernrevue abfeiern kann. Letzteres geht mir total ab, amüsiert habe ich mich trotzdem. Das lag auch an der überdrehten Performance von Lauren Drew als Celine Dion – was für eine Powerfrau!

Back to the Future – The Musical [2022, Adelphi Theatre]
Eine Nacherzählung des Films, durchsetzt mit kurzen Musicaleinlagen. Fügt der Vorlage nichts hinzu, ist aber dennoch faszinierend zu sehen, insbesondere wegen der Bühnentechnik. Durch Rückprojektion und der Technik, die auch für “Bühnen-Hologramme” genutzt wird, rast mit einem mal wirklich der DeLorean mit 140 Sachen über die Bühne. Sehr cool gemacht, und wie sie es am Ende (“Wo wir hingehen brauchen wir keine… Straßen.”) hinbekommen haben, dass die Zeitmaschine DURCH DEN ZUSCHAUERRAUM fliegt, ist wirklich faszinierend zu sehen.

Schade: Der Sound im Adelphi ist extrem bescheiden. Effekte sind viel zu laut, die Schauspieler so übersteuert, dass man die Texte kaum versteht. Ein Spektakel ist es aber dennoch.

Stranger Things: The First Shadow [2023, Phoenix Theatre]
1959: Hopper und Winona Ryder gehen noch zur Highschool, als ein neuer Schüler auftaucht. Henry Creel ist ein verschlossener Einzelgänger. Hat er etwas mit den verstümmelten und verdrehten Tierleichen zu tun, die neuerdings überall auftauchen? Stellt sich raus: Ja, und nicht nur das. Seit einem Zwischenfall trägt Henry einen Schatten aus dem Upside-Down, der Hölle, in sich.

Gerade dachte ich, nach der Zaubershow in “Back to the Future” alles gesehen zu haben, da bläst mich “Stranger Things” völlig aus den Schuhen. Was hier an Bühnenillusion aufgefahren wird ist unfassbar: Rückprojektion, Hologramme, Einssatz von tiefen Tönen zur Erzeugung von Angst, bewegliche Bühnen – You name it, Stranger Things has it.

Damit werden Szenen umgesetzt, die ich nie vergessen werde: Wie sich plötzlich ein komplettes Schiff auf der Bühne materialisiert. Wie eine Kulisse in Zeitlupe explodiert. Das beklemmende Kribbeln und das entsetzliche Gefühl, das hier alles falsch ist, kurz bevor sich der Innenraum des Theaters in eine große Version des Mindflayers verändert. Das ist alles ganz, ganz große Kunst. Dazu kommen ein fantastischer Cast und eine Geschichte, die unmittelbar in die Geschehnisse der Netflix-Serie überleitet. Großartig und die besten drei Stunden Theater die es derzeit gibt.


Spielen:

Metaphor: ReFantazio [2024, PS5 Digital]
Der König ist tot, ermordet von einem gefühlskalten Emporkömmling. Dieser Bösewicht hat auch dafür gesorgt, dass der legitime Thronerbe im Koma liegt. Aber just in dem Moment, wo der Mörder sich selbst zum neuen Herrscher ausrufen will, passieren Dinge, die dafür sorgen, dass eine Art Wettbewerb gestartet wird. Der Gewinner soll die Krone bekommen. Jedermann könnte König werden? Das ist ein unerhörter Vorgang in einer Welt, die durch starke Magie und ein striktes und extrem diskriminierendes Kastensystem geprägt ist.

“Metaphor” ist das neueste Spiel des Mannes, der Persona 3, 4 und 5 verantwortet hat. Wo diese Games aber in der Realität spielten, in die plötzlich eine Art Magie reinbrandete, ist es hier genau umgekehrt. Das namenlose Königreich liegt in einer Fantasywelt, die vor Magie nur so brummt, deren die Bewohner aber davon träumen, das es sie nicht gibt, sondern alle Spezies gleich sind und Herrscher durch Wahlen bestimmt werden. Fantasywesen, die unsere Welt als Utopia begreifen – ein interessanter Twist!

Spieltechnisch wird hier die “Persona”-Engine genutzt, was gut und schlecht zugleich ist. Gut sind wie immer die rundenbasierten Kämpfe, die auch beim eintausendsten Mal noch Spaß machen und spannend sind.

Seltsam übergestülpt wirkt dagegen die Einteilung in Tage und damit verbundene Zeitlimits. In “Persona” sind diese Zeitlimits eine näher rückende Klausur oder der Tag, an dem die Schüler von der Schule geworfen werden. Das wirkt organisch. In “Metaphor” muss immer etwas herbeigelogen werden. Mal sind es die Tage, bis eine Straße wieder geöffnet wird, ein anderes mal ist es die Zeit bis Regenwetter angesagt ist, mal die Tage bis dringend abgereist werden muss. Das wirkt immer seltsam und artifiziell.

Dennoch funktioniert es, und das liegt wieder an der spannenden Geschichte, der tollen Welt und vor allem an den extrem gut geschriebenen Figuren. Bleibt der erste Begleiter noch etwas blass und langweilig, sind spätestens die Ritterin Hulkenberg oder der Fledermauswächter Heismay nicht nur originelle Figuren, sondern wirklich tolle Charaktere, mit denen man gerne Zeit am Lagerfeuer verbringt und die man im Verlauf des Games wirklich gut kennenlernt.

Was mir nicht gefällt: Die Lernkurve steigt auf “Standard” bereits kurz nach dem Spieleinstieg extrem an. Die Gegner sind plötzlich superschwer oder müssen binnen drei Zügen besiegt werden, was ohne exakt optimierte Skills der richtigen Personas nicht möglich ist. Es gibt superviele Freiheitsgrade, aber in der Regel funktioniert nur ein kritischer Pfad so richtig – den zu finden und eventuelleFehlentscheidungen zu bemerken kostet aber Stunden, und dann kann man nur hoffen, noch einen alten Spielstand zu haben. Hat man den nicht, hat man sich halt verskillt und scheitert dauerhaft. Das ist frustrierend und schränkt die Lust, mit den vielen Möglichkeiten des Magiesystems zu experimentieren, sehr ein.

Bislang 35 Stunden auf der Uhr und nicht mal zur Hälfte durch.


Machen:

Eine Reise nach London!
Und eine nach Dresden! Letztere leider rein Dienstlich, sonst hätten wir mal ein Lesertreffen gemacht 🙂


Neues Spielzeug:

Der Monat der neuen Klamotten.
Ich trage nur Jacken im M65-Schnitt, diese klassische Schimanski-Jacke. Eine für den Winter und eine für den Sommer. Praktisch, viele Taschen und unverwüstlich – eigentlich. Meine Lieblingswinterjacke, eine Vintage Industries in M von 2013, war “Pre-Used”: Der dunkelgraue Stoff war mit Bleiche vorbehandelt, um ihn an manchen Stellen abgenutzt aussehen zu lassen und ihm so mehr Textur zu geben. Das hier ist sie:

Problem: In Kombination mit Waschmittel oder in der Reinigung wurde die Reste der Bleiche wieder aktiviert und fraßen sich langsam, aber unaufhörlich durch den Stoff. Zuletzt sah meine Lieblingsjacke also aus wie zerlumpt, mit echten Löchern und Rissen überall.

Nun also der Ur-Enkel, eine M65 “Orton”, wieder in M und wieder von Vintage Industries. Gleicher Stoff (aber ungebleicht!), einfacherer Schnitt, weniger Details, dafür teilweise verhunzt (Innentasche, in die kein Smartphone passt, Stoff nimmt Hautfett an, zu hoher Kragen). Aber nun. Alles wird schlechter.

Beim Stöbern im Vintage Industries Katalog auf der Seite von FC-Moto dann noch das hier gefunden: Eine Jacke von IXS, eine X-Tour LT Montevideo-ST aka Montevideo Air 2.0. Passt in L absolut perfekt, auch mit der TechAir-5-Airbagweste darunter.

Die Schultern und Arme sind fast vollständig aus Leder, das Teil verfügt über viele, beindruckend clevere Details und extrem gute Reflektoren. Besonders gut: Quasi die ganze Front lässt sich zur Belüftung aufzippen.

Gab es gerade runtergesetzt, von 600 auf 190 Euro, aber nur noch in der High-Vis-Option mit neongelben Feldern. Da war ich mir nicht sicher: Will ich das wirklich? Eigentlich mache ich mich immer über so Leute in Warnwesten lustig. Andererseits: Wenn es hilft nicht umgefahren zu werden? Ach, immer diese Entscheidungen. Nach Konsultation mit Expertinnen war klar: Doch, will ich, und mit dem Gelb kann ich leben. Ich hatte noch nie eine so gut sitzende Motorradjacke, die kann gerne die bollerig geschnittene, sackartige sitzende und doch für eine Airbagweste eigentlich zu enge FLM ersetzen.

Außerdem gab es noch drei Pyjamas aus gebürsteter Baumwolle von Marks & Spencer, aber die führe ich hier nicht vor.


Ding des Monats:

Ein R2-D2-Toilettenpapierhalter! So etwas kommt dabei raus, wenn man Ali mit einem 3D-Drucker unbeaufsichtigt lässt. Danke, alter Freund – ich komme aus dem Grinsen immer noch nicht heraus.


Archiv Momentaufnahmen ab 2008

Kein Frühling! Saisonstart 2025

Kein Frühling! Saisonstart 2025


Das Frühlingswiesel pennt noch. Bis vor wenigen Tagen knallte der Winter nur so rein – minus neun Grad und 15 Zentimeter Schnee, da stecken nicht mal dir Frühblüher die Köpfchen aus dem Boden.

Dann plötzlich: PENG, Sonne und 14 Grad. Hä? Egal. Runter vom Sofa und raus in die Garage. Ich vermisse Motorradfahren gerade sehr, und die ZZR 600 muss eh zur HU.

Also eine neue Batterie reingefummelt (die Kawa bekommt im Schnitt alle 4 Jahre eine Batterie komplett kaputt), dann 20 Sekunden rumgeorgelt um Sprit zu den leergelaufenen Vergasern zu bekommen, kurz gewartet, nochmal gestartet, ZACK, war die Diva erwacht. Das ist gut, denn in manchen Jahren hat sich die Kiste schon unangenehm lange bitten lassen.

Der Schnellstart machte mich doppelt misstrauisch und erinnerte daran, dass die Renaissance seit dem Einstellen des Ventilspiels im vergangenen Jahr plötzlich ein bis eineinhalb Liter Sprit auf hundert Kilometer mehr verbraucht. Meine Vermutung: Beim Zusammenbau der seltsamen Airbox-Konstruktion ist was schiefgelaufen, seitdem läuft sie zu fett. Sie läuft gut und springt halt schnell an, säuft aber wie ein Loch.

Dementsprechend gleich mal in die Werkstatt gefahren und Termin gemacht. Dooferweise sind die schon wieder bis Mitte April ausgebucht. Es wir nicht einfacher, die Zahl der Moppedwerkstätten nimmt immer weiter ab.

Nach der ersten Runde mit der ZZR auch mal die V-Strom ausgepackt. Wie würde sich wohl die 800er aus dem Winterschlaf zurückmelden? Stellte sich raus: Sie ignoriert schlicht, dass sie fünf Monate nicht gelaufen ist. Nach dem ersten, vorsichtigen Druck auf den Starter sprang sie nach der ersten Umdrehung sofort an, um dann ruhig und gleichmäßig vor sich hin zu pöttern. Eine Wonne, dieses Motorrad.

Den ersten Ausritt gleich mal in der neuen Jacke gemacht. Eine IXS. Gab es im Preis stark reduziert, aber leider nur noch in der Hi-Vis-Version. Ich habe ja die Neon-Westen-Fraktion immer bespöttelt, jetzt fahre ich selbst in Neongelb. Ist mir aber egal, ich hatte noch nie eine Jacke die SO GUT saß.

Auf dem Bild trage ich die Airbagweste, die TechAir5, drunter. Und wer weiß, vielleicht finde ich gefallen am Neon-Look und lege mir noch einen passenden Helm zu.

Weltbewegende Touren sind für dieses Jahr übrigens nicht geplant. Ich habe ja immer gesagt “Wenn ich eine neue V-Strom habe, geht´s zum Nordkap” – aber nach dem exorbitant teuren vergangenen Jahr muss ich ein wenig auf´s Portemonnaie achten, und wer weiß schon, was in diesem Jahr noch alles passieren wird. Trotzdem oder gerade deshalb werde ich dennoch, wenn alles klappt, sechs Wochen mit dem Motorrad unterwegs sein. Es wird nur halt nicht spektakulär werden. Vermutlich. Nur ein wenig in der Basilicata, dem Molise und Kampanien rumdödeln und gewissen Fischfarmerinnen bei der Arbeit zugucken.

So geht sie also los, meine Motorradsaison 2025. In neuen Klamotten auf gut laufenden Maschinen, in den schattigen Ecken liegt noch Schnee, die Bäume sind kahl und die Luft riecht noch nach Winter. Nunja, gibt schlimmeres.

Saisonstart heißt auch: Nach einem halben Jahr Pause muss man sich als Fahrer erst wieder an die Physik eines Moppeds gewöhnen. Langsam rantasten, nicht gleich auf der letzten Rille heizen. Vorausschauend fahren.

Für Autofahrer bedeutet das: Augen doppelt offen halten. Zweiräder sind wieder unterwegs, und mit ihrem Fehlverhalten ist zu rechnen – die Schergen sind zum Teil noch so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass man doppelt aufpassen muss. Achja, und blinken, blinken ist auch gut. Das gilt für alle.

Ich wünsche allen eine unfallfreie Saison!

Ich starte mit folgenden Kilometerständen:

Kawasaki ZZR600 Renaissance: 98.472
Suzuki V-Strom 800 Morrigan: 8.457

Reisetagebuch Japan (12): Lufthafen

Reisetagebuch Japan (12): Lufthafen

Reisetagebuch Japan. Heute mit beeindruckend vielen Umstiegen und der Erkenntnis: Das ist nicht Genua.

Mittwoch, 16. Oktober 2024, Kyoto
Ich liege schon lange wach und starre die Zimmerdecke an, als ich um 7:15 Uhr endlich aufstehe. Noch kurz eines dieser seltsamen Erdbeerpäckchen über einem Toast ausgewrungen, dann geht es auch schon wieder zum Bahnhof.

Der Zug geht erst in einer Stunde und bis zum Bahnhof sind es nur fünf Minuten zu Fuß, aber da der Bahnhof von Kyoto so riesig ist, möchte ich ausreichend Zeit haben um in Ruhe mein Gleis zu finden. Zeit haben ist schön, zumal der Rest des Tages hektisch werden wird – heute muss ich insgesamt fünf Mal umsteigen. Was auch erklärt, weshalb ich die vergangenen Tage in jeder Stadt und jeden Tag in Reisezentren war und Zugreservierungen geholt habe.

Die erste Fahrt ist nur 17 Minuten lang, und in dieser kurzen Zeit macht der Shinkansen den Sprung von Kyoto nach Osaka. Dann heißt es eine halbe Stunde warten. Die Zeit nutze ich, um mir im Reisezentrum noch mal zwei neue Reservierungen zu holen – auf der Rückfahrt werde ich wieder sechs Mal umsteigen müssen.

Mit dem Shinkansen mit dem schönen Namen Sakura, dem “Kirschblütenexpress”, geht es dann weiter nach Westen. Der Zug ist etwas in die Jahre gekommen, die Sitze haben ein wenig was von Ommas Sofa.

Ach guck, seit 1975 gibt es den Shinkansen (auf der San’yo Line zwischen Osaka und Hakata, Danke, Snoeksen)? War ein guter Jahrgang. Bin ich auch.

Drei Stunden dauert die Fahrt, bis der Zug in Shin-Tosu ankommt, einem Ort, von dem die meisten Menschen außerhalb von Shin-Tosu noch nie etwas gehört haben. Hier beträgt die Umsteigezeit nur kappe sieben Minuten, und in der Zeit muss man einmal quer durch den Bahnhof. Zum Glück ist der nicht besonders groß, und da der Shinkansen (natürlich) bis auf die Minute pünktlich ist, klappt der Umstieg in den Lokalexpress auch.

Die Landschaft, die draußen vorbei zieht, ist nun nicht mehr durch Städte geprägt. Es sind weite Felder, in denen nur ab und an kleine Siedlungen und Dörfer zu sehen sind. Das Wetter ist anders geworden. War es heute morgen noch bedeckt, scheint nun die Sonne aus allen Knopflöchern.

Weiterlesen Weiterlesen

Reisetagebuch Japan (11): Erdbeerig

Reisetagebuch Japan (11): Erdbeerig

Reisetagebuch durch Japan. Heute gehe ich einfach spazieren und entdecke Dinge, es gibt eine Erdbeer-Ellipse und Leder aus Schimmelpilzen.

Dienstag, 15. Oktober 2024, Kyoto
Aufwachen und erstmal denken: Wo bin ich? Ach ja – Kyoto, immer noch.

Um kurz nach Sieben fahre ich mit dem Fahrstuhl ins Erdgeschoss – pardon, in den ersten Stock, wie das hier heißt. Im Eingangsbereich des Hotels stehen einige Plastikstühle und einfache Tische, dahinter eine Anrichte mit einem Kaffeeautomaten, einem Stapel Toastbrot, drei Toastern und zwei Schüsseln mit Marmeladenpäckchen. Breakfast for Champions!

Nein ernsthaft, kein Grund zu meckern. Das Frühstück ist im Zimmerpreis mit drin, und der ist mit rund 38 Euro sehr niedrig. Allerdings ist dieses Frühstück hier eine kleine Herausforderung. Der Kaffeeautomat sieht so aus, als hätte er drei Ausläufe. Ich wähle einen “normalen Kaffee” am mittleren Bedienfeld und stelle auch meine Tasse darunter, dann gucke ich mich kurz um stecke ein Toastbrot in einen der Toaster und als ich zurückkomme, ist meine Tasse zwar noch leer, aber dafür schwimmt das Ablagefach unter dem Auslauf. Offensichtlich hat der Kaffeeautomat doch nur einen Auslauf, und zwar mittig zwischen dem mittleren und dem rechten Bedienfeld, und den hab ich genau mit meiner Tasse nicht erwischt. Irreführendes Gerätedesign trifft auf dummen Nutzer. Verdammter Müll.

Ich nehme an einem Tisch Platz und besehe mir das Päckchen Erdbeekonfitüre. So eines habe ich noch nie gesehen. Es besteht aus zwei weichen Blasen, die mit sehr fester Folie verschlossen sind. Es gibt auch keine Aufreißlasche oder auch nur die Möglichkeit mit dem Fingernagel irgendwie unter diese Folie zu kommen.

Wenn ich bislang eins gelernt habe, dann ist das folgendes: Wenn du eine japanische Verpackung nur mit Gewalt aufbekommst, machst du irgendetwas verkehrt. Japanisches Verpackungsdesign ist hoch funktional und maximal bequem. Aber wie das hier funktionieren soll, das weiß ich beim besten Willen nicht.

“Komm her, ich zeige Dir, wie das geht”, höre ich mit einem mal – auf Deutsch. Ich blicke auf und sehe am Nebentisch eine ältere Dame, eine Japanerin. Ich stehe auf und gehe zur ihr hinüber.

“Ich musste gerade auch erst fragen, aber so geht das”, sagt sie, nimmt mir das Päckchen aus der Hand und drückt mit dem Daumen in die Mitte des Bildes mit der Erdbeere. Dort entsteht ein Falz. Daran entlang klappt sie das Päckchen so zusammen, dass die beiden Blasen außen sind, dann wieder zurück, so dass die beiden Blasen gegeneinander drücken.

Durch die Hin- und Herfalterei ist auf der Außenseite des Päckchens, genau der Mitte, ein kleines Loch entstanden, und dadurch kann man jetzt durch Zusammendrücken die Konfitüre herauspressen und direkt auf´s Brot spritzen.

Ich staune, dann bedanke ich mich und frage “Haben Sie mir angesehen, dass ich Deutscher bin?”
Die ältere Dame lacht.

“Nicht wirklich, aber ich komme halt aus Köln und bin grad nur zu Besuch bei einer Freundin. Ich spreche kein Englisch, nur Deutsch und ein paar Brocken Japanisch. Hättest Du auf die deutsche Ansprache nicht reagiert, hätte ich Dir nicht helfen können”.

“Ohne Englisch ist aber auch nicht einfach hier, oder?”, frage ich.
Sie seufzt.
“Zum Glück ist hier nicht alles so kompliziert wie die Marmeladenpäckchen. Viel macht man ja am Automaten oder im Internet. Tickets kaufen, zum Beispiel, ist ja alles automatisiert mittlerweile. In Deutschland sind wir noch lange nicht soweit.”

Da hat sie vollkommen recht. Japan hat in den vergangenen fünf Jahren einen guten Sprung nach vorne gemacht, in Deutschland werden immer noch PDFs ausgedruckt und wieder eingescannt.

Ich bedanke mich und wünsche ihr noch eine gute Reise.

Kleiner Exkurs noch zu den japanischen Verpackungen. Ich habe gelernt, dass man etwas falsch macht, wenn man mit einer Verpackung struggelt, als ich ein Onigiri, ein Reisdreieck, auspacken wollte und es dabei zerstört habe. Danach habe ich gesehen, dass es kleine Laschen an der Verpackung gibt. An denen zieht man, dann fällt die Verpackung nach links und rechts auseinander wie eine Blume. Danach zieht man ein Papier zwischen der Reismasse und dem Algenpapier weg, und Voila: Saftiger Reis in knuspriger Hülle. Ein kleines Wunderwerk.

Das zieht sich durch, bei den meisten Verpackungen gibt es einen ganz einfachen Trick, um sie zu öffnen. Aber die können aber noch mehr. Was ich bisher herausgefunden habe:

1. Bei Süßigkeitenverpackungen muss das Bild des Produkts mit dessen realer Größe übereinstimmen. Man weiß also immer, was einen in der Tüte erwartet. Wer beim Anblick einer solchen Verpackung denkt, da drin seien große Pralinen, der täuscht sich:

Die Dinger sind winzig, aber exakt so groß wie auf der Verpackung:

2. Verpackungen mit Snacks dubioser Konsistenz haben nicht immer, aber häufig einen “Chew-Index” aufgedruckt, also eine Skala, wie schwierig das Kram zu kauen ist. Perfekt für Leute, die mit ihrem Gebiss vorsichtig sein müssen. Englisches Weingummi, diese Plombenzieher, hat den höchsten Wert.

3. Bei Säften kann man anhand der Verpackung erkennen, wie hoch der Fruchtsaftgehalt ist. Wenn ein Saft ein Foto oder ein fotorealistisches Bild einer aufgeschnittenen Frucht enthält, dann ist es ein hunderprozentiger Direktsaft. Wenn weniger Fruchtgehalt drin ist, darf nur eine gemalte, unangeschnittene Frucht auf der Verpackung sein. Und wenn der Fruchtgehalt unter 5 Prozent liegt, darf es nur die abstrakte Zeichnung, eine Cartoonversion einer Frucht sein.

Mein komisches Erfrischungsgetränk mit “Weintraubengeschmack” muss also zumindest aus der Ferne mal mehr als fünf Prozent Frucht gesehen haben:


Weiterlesen Weiterlesen

Reisetagebuch Japan (10): Teigverprügler und kriminelles Schalenwild

Reisetagebuch Japan (10): Teigverprügler und kriminelles Schalenwild

Das Reisetagebuch durch Japan. Heute mit Teigverprüglern und kriminellen Rehen.

Montag, 14. Oktober 2024, Kyoto
Sitze ich wirklich im richtigen Zug? Kurz habe ich Zweifel, aber dann steigt eine Reisegruppe ein. Der japanische Guide verkündet langsam und sehr deutlich “Allora, trovate tutti un posto a sedere e parlate bassa, per favore! Arriviamo a Nara poco prima delle 10!”, dann nimmt er mir gegenüber Platz, schließt die Augen und pennt ein, währen die Italiener in seinem Schlepptau sich unsicher umblicken. Die wichtge Info war jetzt aber: Wir kommen um kurz vor 10 in Nara an. Super, da will ich auch hin, also bin ich richtig.

Nara ist eine kleine Stadt, 40 Kilometer südlich von Kyoto. Als eigenständiger Ort ist es kaum noch zu erkennen, es verschmilzt im Norden mit Kyoto und von Westen kommt Osaka immer näher heran. Japans Mega-Aglomerationen wachsen immer weiter.

Nara ist bekannt für seine große Parkanlage, die im Osten an die Berge stößt, und die will ich mir ansehen. Um dorthin zu kommen könnte ich einen Bus vom Bahnhof nehmen, aber ich laufe lieber zu Fuß durch den Ort.

An einem Laden bilden sich jetzt bereits jetzt, um kurz nach zehn, lange Schlangen vor allem ausländischer Touristen. So lange Schlangen, das Ordner mit Megaphon davor stehen und die Besucher einweisen und dafür sorgen, dass andere Passanten oder Autos überhaupt noch durchkommen. Was ist denn hier bloß los, dass es so einen Auflauf gibt? Ich schüttele den Kopf und laufe weiter.

Später werde ich herausfinden, dass in dem Laden Mochi hergestellt wird, eine japanische Süßigkeit aus Reis. Mochi ist mit nichts vergleichbar, was es im Westen gibt. Es fühlt sich im Mund samtig und weich an, ohne klebrig oder süß zu sein. Damit es seine einzigartige Konsistenz bekommt, muss der Teig mit Hämmern verprügelt werden. Der Laden hier hat daraus eine Show gemacht, “High Speed Mochi Making”, wo zwei bis drei Leute mit großen Hämmern bis zu drei mal die Sekunde(!) auf einen Mochiklumpen einschlagen:

NATÜRLICH ist das viral gegangen, und nun stehen Touristen aus aller Herren Länder von morgens bis Abends vor dem Fenster und filmen die Teigverprügler. Kaufen tun die wenigsten was. Es geht nur um das Video für Insta.

Dann finde ich den Eingang zum Park.

Gleich beim Betreten werde ich mißtrauisch von einem Reh beäugt. Böse funkelt es mich an, aus verschlagen blickenden Augen.

Ich kenne diese Sorte schon.
Sikahirsche.
Das sind die schlimmsten. Sehr gefährliche Tiere, mit einem starken Hang zur organisierten Kriminalität. Sie bilden gerne Banden, rauben einzeln oder in Gruppen Touristen aus, erpressen Schutzgeld von Kioskbesitzern und sind ganz groß in Trickbetrug, von Hütchenspielerei bis Internet-Scams. Bei der Wahl der Mittel sind sie nicht zimperlich. Gegen eine Gruppe Sika-Hirsche wirken russische Inkassounternehmen harmlos.

Am Eingang des Parks warnen Schilder vor den gemeingefährlichen Terror-Hirschen. Bildhaft ist dargestellt, wie die Viecher alten Frauen die Handtasche stehlen, Kinder verprügeln und beim Hütchenspiel betuppen.

Um die Tiere ruhig zu stellen soll man Wegzoll an sie zahlen. 200 Yen sind das Minimum, und die Hirsche erwarten, dass man die in Form von harten, dünnen Keksen rüberreicht.

Deshalb werden die überall verkauft, von unglücklich dreinschauenden Verkäuferinnen, die unter den Argusaugen von Reh-Aufpassern zu weniger als dem Mindestlohn schuften müssen.

Weiterlesen Weiterlesen